Dieser Text wurde im September 2024 aktualisiert.
Die ZiB2 am Montag, dem 2. September 2024, haben 741.000 Menschen gesehen. 393.000 davon waren Frauen, 197.000 hatten Matura oder einen Uni-Abschluss, 141.000 haben in Niederösterreich zugeschaut und 23.000 im Burgenland. Die Sendung hatten einen „Marktanteil“ von 38 Prozent, d.h. von den knapp zwei Millionen Menschen, die an diesem Abend zwischen 22.00 und 22.30 ferngesehen haben, hatten 38 Prozent die ZiB2 eingeschaltet. Die 741.000 Seher·innen sind übrigens ein Durchschnittswert, d.h. so viele waren im Schnitt während der gesamten 29 Minuten der Sendung dabei.
Aber das wechselt natürlich, manche schalten erst später dazu, manche schon vor dem Ende wieder weg. Am Höhepunkt — um 22.17 Uhr — haben 819.000 die Studio-Analyse des ORF-Sommergesprächs mit ÖVP-Chef Nehammer verfolgt. Nach Ende der Analyse — die besonders viele Menschen interessiert hat — haben etliche abgedreht. Das ist übrigens eher ein Sonderfall, normalerweise ist die „Sendungskurve“ flacher, also stabiler.
Aber woher wissen wir das eigentlich alles so genau?
Die Antwort heißt “Teletest”
In exakt 1.671 österreichischen Haushalten, in denen 3.571 Menschen leben, steht ein kleines Messgerät, das aufzeichnet, wann und auf welchem Sender der Fernseher eingeschaltet ist. Dazu gibt es eine eigene Fernbedienung, auf der jedes Haushalts-Mitglied eine eigene “Personentaste” hat (daneben gibt es noch “Gäste”-Tasten), damit nicht nur gemessen wird, ob der Fernseher läuft sondern auch, ob die Oma alleine davor sitzt, die Kinder oder die ganze Familie.
Diese 1.671 Haushalte und ihre Bewohner – das „Teletest-Panel“ – sind repräsentativ für die österreichische Fernseh-Bevölkerung, also für jene 3,872 Millionen Haushalte im Land, in denen mindestens ein Fernseher steht. Wer sich je mit Statistik oder Meinungsumfragen befasst hat, weiß, dass ein Sample von fast 3.600 ungewöhnlich groß ist (seriöse Umfragen haben ein 1.000er-Sample, weniger seriöse auch nur 500) und nur mehr kleine Schwankungsbreiten zulässt.
Das Großartige am Teletest ist außerdem, dass er keine Befragung ist, bei der Menschen sich auch mal irren, etwas vergessen oder „sozial erwünschte“ Antworten geben, von denen sie glauben, die Interviewer möchten sie hören. Der Teletext ist eine Messung: Das kleine Gerät in den Panel-Haushalten registriert unbestechlich, ob die ZiB2 läuft, ein Spielfilm, eine Kultursendung oder das „Dschungelcamp“.
Jede Nacht gegen drei Uhr früh werden diese Daten automatisiert an ein Meinungsforschungs-Institut geschickt, dass sie dort mit den Sendungsprotokollen des ORF (und aller anderen Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Teletext) verknüpft und an alle Sender verschickt. Kurz nach neun bekomen wir für jede unserer Sendungen eine Kurve wie in der Grafik oben, dazu Tabellen mit den Seherzahlen und Marktanteilen in jedem Bundesland, in jeder Altersgruppe und nach Bildungsniveau des Publikums.
Teletest „neu“
Seit September 2024 gibt es dabei noch eine wesentliche Neuerung. Obwohl das Panel so groß ist, stehen alle 3.571 Teletest-Teilnehmer·innen stellvertretend für jeweils etwa 2.300 Menschen. Das funktioniert hervorragend für Sendungen mit größerem Publikum. Aber wenn das Programm eines kleinen Senders irgendwann am Vormittag (wenn grundsätzlich wenige Menschen fernsehen — siehe unten) laut Teletest 5.000 Seher·innen hatte, bedeutet das, dass die Sendung in zwei Teletest-Haushalten lief — oder in einem, wo zwei Menschen zugeschaut haben. Wenn einer dieser beiden abdreht, halbiert sich im Teletest die Quote.
D.h. für Sendungen mit sehr wenig Publikum kann die Messung nicht sehr exakt sein. Außerdem haben immer mehr Menschen Geräte, bei denen sie auch zeitversetzt fernsehen können. Das wurde bisher nachträglich in den Teletest eingerechnet, deshalb standen die aktualisierten Quoten erst nach acht Tagen endgültig fest.
Live-Messung
Seit September werden die Daten zusätzlich über ein riesiges „synthetisches Panel“ aus 100.000 Haushalten errechnet. Es gibt in Österreich nämlich mittlerweile rund 1,1 Millionen sogenannte HbbTV-Fernsehgeräte, die mit dem Internet verbunden sind. Deren Nutzungsdaten können live ausgelesen werden. Aus diesen 1,1 Millionen Haushalten wurden nach dem Vorbild des — nach wie vor existierenden — Teletest-Panels 100.000 ausgewählt, die das TV-Publikum möglichst gut nachbilden. Allerdings sind sie nicht völlig repräsentativ, weil zum Beispiel viele ältere Menschen noch Fernseher haben, die nicht internetfähig sind.
Die Daten dieses „synthetischen“ 100.000er-Panels werden deshalb permanent mit der Messung aus dem traditionellen Teletest-Panel abgeglichen — und daraus der neue „Teletest 2.0“ errechnet. Das hat zwei große Vorteile: In den kombinierten Daten lassen sich auch die die Quoten weniger gesehener Sendungen gut abbilden und die Ergebnisse gibt es nicht nur einmal täglich in der Früh, sondern quasi „live“.
Fersehen vs. Online
Noch zwei Anmerkungen zur Methode: Um das seit Jahrzehnten bewährte Teletest-Panel aktuell zu halten, wird jedes Jahr etwa ein Fünftel der Haushalte ausgewechselt. Weil aber viele neue Testhaushalte in den ersten Tagen auffallend kluge Sendungen anschauen — ungewöhnlich viel Kultur, Dokumentationen oder Nachrichten —, werden sie erst etwas später in die Auswertung aufgenommen, wenn sie „vergessen“ haben, dass die Teletext-Messung mitschaut. Man kann sich auch nicht freiwillig als Test-Haushalt melden, sondern wird kontaktiert (sogenannte “Selbstrekrutierer” verfälschen jedes saubere Sample).
Und gemessen wird nur, was auf einem Fernseher läuft. Wer also am Handy, am Tablet oder am Computer die ZiB2 via ORF.on nachschaut, wird nicht erfasst. Die Ergebungsmethoden sind auch nicht vergleichbar. Die TV-Quote — also die 741.000 Seher·innen der ZiB2 vom 2.9. — sind, wie gesagt, der Durchschnittswert über die gesamten 29 Minuten. Online wird hingegen jeder einzelne Klick in die Sendung gezählt, ob Sie die ganze ZiB2 anschauen oder nur einen Beitrag oder auch nur 30 Sekunden. Insofern ist die Teletest-Methode ganz besonders streng.
Warum die Quoten wichtig sind
Der ORF ist ein öffentlich-rechtlicher Sender. Oft heißt es, wir sollten “nicht auf Quoten schauen”. Ich halte das für ein Missverständnis. Primär dient die Reichweiten-Messung natürlich dem Verkauf von Werbespots, die immer noch gut 200 Millionen Euro im ORF-Budget ausmachen. Und die Werbetreibenden wollen natürlich wissen, wieviele und welche Menschen sie mit ihren Spots erreichen. (Auch das funktioniert mit dem neuen „Teletest 2.0“ noch genauer.)
Aber auch für uns Fernsehmacher·innen sind die Quoten wichtig. Wir machen die ZiB2 oder andere Sendungen ja nicht für uns, sonst könnten wir Tagebuch schreiben. Wir machen sie für ein Publikum (das ja auch Rundfunk-Beitrag bezahlt). Und es ist für uns wichtig, zu wissen, ob und welches Publikum wir erreichen. Ob wir die Themen, die wir für wichtig halten, vielleicht mehr Menschen zeigen könnten, wenn wir sie anders reihen oder anders präsentieren. Oder wie sehr das Vorprogramm oder das Gegenprogramm unsere Sendung beeinflussen.
Und was lernen wir daraus?
Wenn wir an einer Stelle der Sendung bemerkten, dass 100.000 Menschen plötzlich wegschalten, würden wir versuchen, zu ergründen, woran das lag: War der Beitrag so schlecht gemacht oder so uninteressant — oder hat in einem Konkurrenz-Programm irgendeine Super-Sendung begonnen? Und können wir daraus etwas lernen?
Den meisten Einfluss auf die Quote haben übrigens das Programm unmittelbar vor der ZiB2 auf ORF2 und das Konkurrenzprogramm gleichzeitig auf anderen Sendern. Läuft vor der ZiB2 eine extrem erfolgreiche Sendung, dann ist auch unsere Quote höher als sonst. Der extremste Fall ist dabei immer der Donnerstag des Opernballs. Obwohl die ZiB2 fast eine Stunde später beginnt, hat sie an diesem Abend immer mehr als eine Million Zuseher·innen, weil die Opernball-Übertragung derart populär ist (2023 mit knapp 1,5 Millionen Seher·innen, die ZiB2 danach 1,1 Millionen — siehe oben). Dauert aber z.B. auf ORF1 der Nachtslalom von Schladming vor 1,5 Millionen über 22.00 Uhr hinaus oder spielt das Fussball-Nationalteam der Herren vor 1,2 Millionen gegen Deutschland, ist das für uns schlecht. Und an manchen Tagen sind es natürlich besondere Ereignisse, die zusätzliche Zuschauer·innen bringen, weil sie in der ZiB2 seriöse Hintergrund-Informationen suchen.
Und natürlich freuen wir uns über eine hohe Quote. Weil sie bedeutet, dass wir mit der Sendung, die wir mit großem Aufwand machen, viele von den Menschen erreichen, für die wir arbeiten. Übers Jahr gerechnet schauen im Schnitt rund 600.000 Österreicher täglich die ZiB2 auf ORF2 oder 3sat (während der Corona-Jahre 2020/21, als das Informationsbedürfnis extrem hoch war und wegen der Lockdowns besonders viel ferngesehen wurde, waren es durchschnittlich etwa 800.000). Im Lauf einer Woche erreichen wir rund 1,8 Millionen verschiedene Seher·innen — weil ja nicht jeden Tag die gleichen 600.000 dabei sind. Damit ist die ZiB2 gemessen an ihrem Marktanteil die erfolgreichste Spätnachrichten-Sendung im deutschen Sprachraum.
Vielen Dank für Ihr Interesse!
PS: Mehr Informationen zum Teletest und seinen Ergebnissen finden sie auf der Website der ORF-Medienforschung.
Beitragsbild: Steve Johnson/Unsplash