Heute hat die Medienbehörde KommAustria über die Beschwerde der FPÖ zum Thema „Tempelberg“ entschieden – und sie in allen Aspekten abgewiesen. Wörtlich heißt es in dem Bescheid: Der ORF habe seine Recherchen “mit bestmöglicher Genauigkeit und Sorgfalt“ durchgeführt.
Ich muss gestehen, dass mich diese Entscheidung sehr freut. Ich hatte dieses Thema nämlich zum größten Teil recherchiert.
Es ging um einen dramatischen Terroranschlag in Israel, von dem Hofer während des Wahlkampfs mehrfach in Interviews erzählt hat: „Als ich auf dem Tempelberg war, ist zehn Meter neben mir eine Frau erschossen worden, weil sie versucht hat, mit Handgranaten und Maschinenpistolen betende Menschen zu töten.“ (DIE PRESSE, 16.3.16).
Diesen Terroranschlag hat es nie gegeben. Das ist ohnehin seit langem unbestritten. Trotzdem hat sich Hofer bei der Medienbehörde beschwert, weil er im TV-Duell vor der Stichwahl im Mai dazu befragt wurde.
Objektivitätsgebot und Sorgfaltspflicht eingehalten
Das Verfahren dazu hat neun Monate lang gedauert – und jetzt hat die KommAustria entschieden: Der ORF hat weder das gesetzliche Objektivitätsgebot noch seine journalistische Sorgfaltspflicht verletzt.
Eine gut lesbare Zusammenfassung der Entscheidung gibt es in dieser Presseerklärung der KommAustria. Aber auch der gesamte Bescheid steht online (er hat insgesamt 57 Seiten, entscheidend ist die „Rechtliche Beurteilung“ ab Seite 47.)
Kurz gefasst: Es ist rechtlich völlig legitim, den Gast einer Live-Sendung mit ihm unbekannten Recherche-Ergebnissen zu konfrontieren, erst recht, wenn er das Thema von sich aus bereits öffentlich diskutiert hat. Hofer hatte im TV-Duell jede Gelegenheit zur unmittelbaren Stellungnahme, damit sei das Objektivitätsgebot im ORF-Gesetz jedenfalls gewahrt.
Außerdem wurde Hofer lediglich gefragt, ob er „etwas verwechselt“ habe. Er hätte – so argumentiert die Behörde – jederzeit aufklären können, was er eigentlich gemeint habe oder wie er zu seiner Schilderung gekommen war.
Alternative Fakten müssen nicht recherchiert werden
Nach der Sendung erklärten Hofer und die FPÖ, er hätte einen anderen Vorfall gemeint (eine von der Polizei angeschossene, unbewaffnete Zivilistin an der Klagemauer). Dazu meint die Behörde: Hofer hätte darauf in der Live-Sendung jederzeit hinweisen können, er hat es aber nicht getan. Im Gegenteil: Er hat im TV-Duell noch einmal von einer Frau „mit Handgranaten und Maschinenpistolen“ erzählt.
Dass ein „heute“-Journalist noch während des TV-Duells einen israelischen Online-Bericht über die verletzte Zivilistin getwittert hat, hält die Behörde für irrelevant. Hofer hatte diesen Vorfall nie erwähnt, und es könnte von Journalisten nicht verlangt werden, “jede denkbare Version einer Schilderung” abzuklären – also auch alles zu recherchieren, was ein Politiker mit einer Aussage eventuell gemeint haben könnte. Zu überprüfen wären seine tatsächlichen Aussagen.
Und das habe der ORF „mit bestmöglicher Genauigkeit und Sorgfalt“ getan (wie genau und sorgfältig wird im Bescheid auf den Seiten 30f. bzw. 52f. ausführlich geschildert). Es liegt deshalb auch keine Verletzung der „journalistischen Sorgfaltspflicht“ vor.
Der Augenzeuge, der nichts gesehen hat
Und schließlich noch ein interessantes Detail aus der Beschwerde von Norbert Hofer, in der er schildert, was er damals gesehen hätte: „Er habe Schüsse wahrgenommen und den Umstand, dass die Frau danach regungslos am Boden lag. Nach seiner Wahrnehmung sei sie erschossen worden; es sei aber natürlich nicht auszuschließen, dass sie lediglich angeschossen wurde und ohnmächtig war.“ (Bescheid, S. 19)
Als Zeugen dafür hat die FPÖ den Wiener Gemeinderat David Lasar nominiert, der während des „Vorfalls“ ständig bei Hofer war. Die Zusammenfassung seiner Aussage unter Wahrheitspflicht: „Schüsse konnten vom Zeugen … nicht wahrgenommen werden. Ebensowenig konnte man vom Standpunkt des Autos aus sehen, ob eine Frau erschossen (getötet) oder angeschossen worden war bzw. ob eine Frau am Boden gelegen war.“
Die FPÖ findet den Bescheid der KommAustria „skandalös“ und will ihn anfechten.