Dankesrede Armin Wolf

„Man kann den ORF auch totsparen“

Diese Woche wurden in Wien die „Journalist*innen des Jahres“ 2018 ausgezeichnet (hier alle Preisträger*innen) – und ich habe in meiner Dankesrede kurz über die aktuelle Lage des ORF gesprochen. Der KURIER hat das etwas dramatisch „Abrechnung mit der Regierung“ genannt. Das ist der Text im Original-Wortlaut:


Ich freue mich ganz besonders, dass auch dieses Jahr wieder der ORF die „Redaktion des Jahres“ geworden ist. Das zeigt nicht nur, dass der ORF sehr viele Journalistinnen und Journalisten hat, sondern vor allem sehr, sehr gute. Einige davon wurden heute hier ausgezeichnet, aber es gibt noch sehr viele mehr.

Das Personal im ORF interessiert ja auch die Regierung ganz besonders. Was man auch daran merkt, dass seit dem Antritt der neuen Koalition vor gut einem Jahr im Fernsehen der Chefredakteur abgelöst wurde, alle Sendungsverantwortlichen der Zeit im Bild-Sendungen ausgetauscht und zwei neue Channel Manager installiert worden sind.

Ich habe die begründete Vermutung, dass das nicht in allen Fällen ein zufälliges zeitliches Zusammentreffen war.

Auch über das neue ORF-Gesetz, das derzeit verhandelt wird, weiß man bisher nur eines praktisch fix: Statt eines Allein-Geschäftsführers wird es einen Vierer-Vorstand geben. Und wie der aussehen wird, wurde uns gerade in der Nationalbank vorgeführt: Es werden zwei Schwarze oder Türkise sein und zwei Blaue.

Man könnte natürlich auch auf die Idee kommen, dass die neuen Vorstände für den mit Abstand größten und wohl auch wichtigsten Medienkonzern Österreichs europaweit von einem spezialisierten Headhunter gesucht werden könnten – aber hier gilt wohl, was schon Gerd Bacher gewusst hat: „Die Parteien interessiert nicht so sehr, wie es dem ORF geht, sondern vor allem, wie es ihnen im ORF geht“.

Das war übrigens bei der Vorgänger-Regierung absolut nicht anders – nur damit mich hier niemand falsch versteht. Aber man könnte mit wirklich schlechten Traditionen ja auch mal aufhören.
Das wäre neuer Stil.

PROBLEME MIT PRESSEFREIHEIT

Tatsächlich eine neue Qualität hat es hingegen, wenn ein Generalsekretär oder der Mediensprecher einer Regierungspartei öffentlich die Entfernung von Moderatorinnen und Moderatoren verlangen, weil ihnen Interview-Fragen nicht passen. Oder wenn der Vorsitzende des ORF-Stiftungsrats mit der Entlassung von Korrespondenten und Korrespondentinnen droht.

Da zeigt sich, glaube ich, ein elementares Problem im Verständnis von Pressefreiheit und der verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit des ORF.

Dazu passt die Forderung, den ORF künftig aus dem staatlichen Budget zu finanzieren. Das wäre eine de facto-Verstaatlichung des öffentlichen Rundfunks. Unser Geldgeber wäre genau die Regierung, über die wir jeden Abend kritisch berichten sollen.

Fast genauso schlimm wäre allerdings, was mir derzeit fast wahrscheinlicher erscheint als die Budgetfinanzierung: Nämlich, dass die Gebühren beibehalten aber massiv gekürzt werden, weil die Regierungsparteien da ja irgendwas vorweisen wollen.

Der ORF hat in den letzten Jahren 700 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eingespart und seit Jahren folgt ein Sparpaket aufs nächste. Sehr viel kürzen kann man da einfach nicht mehr, ohne ganz brutal ins Programm zu schneiden und massenweise Journalistinnen und Journalisten zu kündigen.

Wenn man den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht mehr will, muss man ihn nicht unbedingt abschaffen. Man kann ihn auch totsparen.

REGIERUNGSFUNK BRAUCHT NIEMAND

Ich glaube hingegen, dass ein unabhängiger, starker ORF für dieses Land wirklich wichtig ist – besonders, wenn man kurz überlegt, wer sonst die größten Medien wären… Ich sage aber nochmal: Ein starker und unabhängiger ORF. Was ein Regierungsfunk anrichten kann, das kann man jederzeit in Ungarn besichtigen. Das braucht wirklich niemand.

Ich weiß, dass sich viele hier im Raum immer wieder über den ORF auch ärgern. Glaubt mir: Ich auch. Aber ich bin auch sehr stolz darauf, was die Journalistinnen und Journalisten in diesem Unternehmen jeden Tag für unser Publikum leisten. Wenn man uns lässt.

Deshalb gratuliere ich der „Redaktion des Jahres“ von Herzen, natürlich auch allen anderen Ausgezeichneten und ich bedanke mich sehr herzlich bei Claus Kleber für seine netten Worte, bei der Jury und bei allen, die mitgewählt haben. Ich nehme die Wahl sehr gerne an!


Meine Laudatio hat ZDF-Moderator Claus Kleber gehalten und er hat darin sehr kluge und notwendige Dinge zum Thema Pressefreiheit gesagt. Der STANDARD hat diese lesenswerte Rede heute auszugsweise veröffentlicht.

(Foto: ORF/Hans Leitner)