Ich muss gestehen, gestern hatte ich ein Tief. Die erste Woche hier in unsererm Isolationsbereich ist vorbei. Es läuft gut, der Teamgeist ist noch immer großartig, die Sendungen funktionieren, das Publikumsinteresse ist gigantisch.
Die ZiB2 hatte gestern 1,04 Millionen Zuseher*innen, am Montag waren es 1,23 Millionen, die Zeit im Bild um 19h30 erreicht seit Wochen jeden Tag weit über zwei Millionen, etwa das Doppelte der üblichen Zahl. Produziert werden die ZiBs aber völlig anders als sonst.
Vom ZiB2-Team sind Redaktionsleiter Christoph Varga und ich hier in der ZiB-Sperrzone isoliert. Christoph plant und koordiniert die Sendung und betreut sie abends als Chef vom Dienst, ich moderiere. Die anderen Kolleg*innen aus der Redaktion haben wir seit Wochen nicht mehr gesehen.
Schon vor der Isolation hatten wir unsere Arbeitsweise stark dezentralisiert, jetzt ist es noch drastischer. Einige Kollegen arbeiten von zuhause, andere in Außenstudios in der Wiener Innenstadt oder der Stiftskaserne und im Newsroom hier im ORF-Zentrum sind der 1. und der 2. Stock voneinander abgeriegelt. Heroben werken wir „Isolierten“, unten die Redakteur*innen, Cutter*innen und Assistent*innen, die zuhause schlafen. In den Redaktionsräumen müssen sie konsequent alle Sicherheitsregeln einhalten, beim Eingang Fieber messen und bei der Arbeit maximalen Abstand voneinander halten.
Unsere Redaktionskonferenzen halten wir via Skype ab. Einige schalten ihre Videokamera ein und sind auch zu sehen, andere nur zu hören, manche sind via Telefon dabei. Ständig rauscht oder kracht ein Mikro, durcheinander Reden geht gar nicht, längere inhaltliche Diskussionen sind eher schwierig und machen nicht annähernd so viel Spass wie im echten Leben.
Ich mag das nicht sehr. Ich bin ein großer Fan von redaktionellem Journalismus – also davon, dass eine Redaktion aus neugierigen, wachen Menschen mit Talent und Lust Geschichten zu recherchieren und zu erzählen, gemeinsam über Sendungen nachdenkt.
Wir diskutieren in unseren Sitzungen normalerweise ausführlich über Themen und Gäste, streiten auch mal, lachen, ziehen einander auf, sind mitunter sarkastisch, oft kreativ und machen uns gegenseitig klüger. Jede ZiB2 ist eine Teamleistung und – so talentiert jede*r einzelne ist – keine*r von uns ist alleine so gut wie das Team gemeinsam.
Umso beeindruckender finde ich, was da jetzt trotzdem jeden Tag entsteht, in allen Formaten, von der Früh-ZiB bis zur ZiB-Nacht. Die Bedingungen, unter denen die Beiträge hergestellt werden, sind teilweise grotesk und die technischen Beschränkungen oft frustrierend. Und trotzdem ist der Spirit sensationell. Aber wie auch viele andere Menschen, die in Teams arbeiten, die sich mögen, vermissen wir den Kontakt miteinander. Home Office war als Fantasie reizvoller als es sich in der Realität herausgestellt hat, entdecken jetzt viele.
Hier in unserer Corona-WG am Küniglberg ist es wieder anders. Wir haben ja viel mehr persönlichen Kontakt als derzeit die meisten Menschen „draußen“, weil hier rund 60 Redakteur*innen, Kameraleute, Regie-Kolleg*innen und Techniker*innen gemeinsam kaserniert sind. Da wir alle negativ auf Corona getestet wurden und seit acht Tagen völlig von der Außenwelt abgeriegelt sind, können wir uns beim Frühstück ganz normal zueinander an den Tisch setzen. Die Stimmung ist nach wie vor super.
Aber wir sind von unseren Familien getrennt, es gibt kaum Privatsphäre und jenseits des kleinen Innenhofs können wir nirgendwo ins Freie. Vor allem aber gibt es kaum Ruhephasen. Wir schlafen in unseren (oder fremden) Büros, stehen auf, produzieren Sendungen oder bereiten Sendungen vor und gehen nach dem Abendessen und ein wenig Zusammensitzen wieder in unsere Büros. Ein Freizeitangebot gibt es, aber ziemlich wenig Freizeit. Und trotzdem überlegen schon etliche Kolleg*innen, freiwillig die Isolation zu verlängern.
Wir haben uns ja alle für zwei Wochen gemeldet, danach soll die nächste Schicht kommen. Organisatorisch einfacher wäre es aber, wenn Menschen freiwillig länger bleiben. Und gar nicht wenige meiner Kolleg*innen sagen jetzt: „Draußen ist es zur Zeit auch nicht lustiger mit den Besuchsverboten, Ausgehbeschränkungen und den mühsamen Arbeitsbedingungen. Ich lebe alleine, auf mich wartet daheim keiner und hier herinnen gibts zumindest Gesellschaft und ständig was zu tun.“
Ich lebe nicht alleine. Mir fehlt meine Familie. Und mir fehlt mal ein Tag ohne 300 bis 400 E-Mails (sorry, ich kann derzeit wirklich nicht alle beantworten, ich lese aber alle!), ohne neue Corona-Meldung alle 30 Sekunden in der APA und ein Abend ohne Sendung zum Abschalten. Gestern, nach genau einer Woche Kasernierung, hatte ich deswegen ein kleines Tief. Aber heute geht’s schon wieder besser. Die Halbzeit ist erreicht, in einer Woche endet die Isolation für mich vorerst, Martin Thür zieht hier ein und falls nötig, löse ich ihn zwei Wochen später wieder ab.
Vorerst aber arbeiten wir mal an der heutigen ZiB2. Drei Skype-Redaktionskonferenzen hatten wir schon, mein Live-Gast heute Abend wird AMS-Chef Johannes Kopf sein, ich studiere gerade die neueste – erschreckende – Arbeitslosenstatistik und um 22h00 melden wir uns wieder aus dem Newsroom.
Wir würden uns freuen, wenn Sie zuschauen!