Es war ein kleines Experiment am vergangenen Montag, dem Internationalen Frauentag: In der gesamten ZiB2 waren keine männlichen Mehrzahlformen zu hören. Ganz am Ende der Sendung erklärte ich es kurz: „Männer waren mitgemeint.“
Bis dahin war es niemandem aufgefallen: Kein einziges Mail, kein Tweet, keine Facebook-Reaktion. Ganz anders ist es, wenn ich in der Sendung „gendere“, also ein Mehrzahlwort wie Politiker*innen spreche – mit einer kurzen Pause, weil man das „Gendersternchen“ selbst ja nicht sprechen kann.
Also: Politiker innen.
Diese Betonung hat sogar einen eigenen Namen: Glottisschlag. Kennt fast niemand (ich bis vor kurzem auch nicht), aber jeder von uns verwendet ihn, wenn er Spiegelei sagt und ein Ei damit meint und keine Erscheinung im Spiegel.
Ich mache das seit einigen Monaten in der ZiB2 immer wieder, Tarek Leitner tut es in der ZiB1 und die Kolleg*innen Petra Gerster und Claus Kleber seit einiger Zeit in den ZDF-Nachrichten. Und dieser angebliche „Genderwahn“, diese „Zerstörung der deutschen Sprache mittels Gender-Unfug“ löst bei etlichen Zusehern und manchen Zuseherinnen erstaunliche Aggressionen aus, aber auch sonst durchaus bemerkenswerte Reaktionen:
„Es ist zu registrieren, dass Sie und der ORF in subversiver Weise eine Gehirnwäsche an den Österreichern vornehmen möchten“, schreibt mir Herr Dr. W., während Herr S. meint: „In Ihrer offiziellen ORF-Funktion steht es Ihnen nicht zu, im Rahmen Ihrer medialen Machtposition den allgemeinen Sprachgebrauch verändern zu wollen“.
Und Herr Karl (sorry, aber in dem Fall muss ich den Namen einfach ausschreiben) ist besonders besorgt: „Gendern ist keinesfalls eine harmlose Laune des Zeitgeistes. Es ist vielmehr der Versuch bestimmter Kräfte, die Kontrolle über unser Denken, unser Sprechen und unser Schreiben zu erlangen. So etwas mag in totalitären Diktaturen üblich sein, in einer Demokratie hat es nichts verloren. Wehret den Anfängen!“ Ganz knapp hingegen belehrt mich heute Herr G., dafür mit riesigen Buchstaben in einem eigens angefügten Word-Dokument: „GENDERN IST DER TOD DER SPRACHE“.
Ist Gendern der „Tod der Sprache“? (Spoiler: Nein) weiterlesen