Es ist unfassbar, wie schnell die Zeit vergeht. Morgen jährt sich schon zum 20. Mal der Todestag unseres Kollegen Robert Hochner, der die ZiB2 geprägt hat wie niemand sonst. Am 12. Juni 2001 ist er gestorben, an einer tückischen Krebserkrankung, gut zwei Monate vor seinem 56. Geburtstag und knapp ein Jahr nach seiner letzten Sendung.
Fünfeinhalb Jahre lang durfte ich mit Robert arbeiten, als ZiB2-Reporter und als Chef vom Dienst, also jener Redakteur, der für die „Abwicklung“ der Live-Sendung zuständig ist. Und in den letzten Jahren seines viel zu kurzen Lebens durfte ich mit ihm auch privat befreundet sein.
Robert Hochner war ein exzellenter Journalist, aber als Fernsehmoderator war er ein absolutes Ausnahmetalent. DIE ZEIT hat ihn 1996 den „souveränsten TV-Moderator im deutschsprachigen Raum“ genannt und dieses Urteil stimmt auch 25 Jahre später noch. Der Rückblick, den Raimund Löw für die ZiB2 am Tag von Roberts Tod gestaltet hat, gibt einen Eindruck davon:
Was Robert so ausgezeichnet hat, war eine ganz eigenwillige Kombination von Talenten und Eigenschaften: Er war beeindruckend klug, gebildet und informiert, stets blendend vorbereitet, hellwach, außergewöhnlich schlagfertig mit einem ganz eigenen subtil-ironischen, spitzbübischen Witz, couragiert, kritisch, gnadenlos präzise, sehr präsent, aber trotzdem immer britisch distanziert, elegant und ausnehmend charmant. Auch nach den frechsten Fragen konnte ihm keine·r böse sein.
Robert war radikal unabhängig, mit niemandem verhabert, mit keinem Politiker per du, stets skeptisch und „Leute mit Sendungsbewusstsein“ gehörten für ihn „in die Sendetechnik“. Aber er war ein zutiefst politischer Mensch. Ein Citoyen im Fernsehstudio.
Ich wurde als ZiB2-Moderator oft gefragt, ob Robert Hochner für mich ein Vorbild wäre, aber das funktioniert so nicht. Was Robert konnte, das kann man nicht kopieren, auch wenn man es mit größter Mühe versuchen würde, weil er – obwohl äußerst fleißig – weniger getan hat, sondern auf eine ganz unnachahmliche Weise war.
Man kann sich davon heute noch in der TVthek überzeugen, in Interview-Highlights von Yassir Arafat zum Friedensprozess im Nahen Osten über Jörg Haider zum Machtkampf mit Steger 1986, Bischof Krenn zur Groer-Affäre oder Helmut Zilk zum Briefbomben-Prozess bis zu Elfriede Jelinek, Günther Grass, Peter Ustinov, Harald Juhnke, Hermes Phettberg oder Arnold Schwarzenegger.
Robert konnte auch mühsam sein – niemals fürs Publikum, aber doch für seine Redaktion. Weil die ZiB2 ja spätabends läuft, kam er üblicherweise gegen vier, halbfünf ins Büro nach mehrstündiger Zeitungslektüre meist im Wiener Cafe Schwarzenberg. Wir Reporter·innen hatten schon seit zehn Uhr früh über Studiogäste und Beiträge diskutiert, recherchiert und teilweise gedreht und dann kam Robert mit seinen Ideen, was denn heute nun wirklich wichtig wäre. Leider hatte er fast immer recht.
Aber wie seine Frau Clarissa Stadler so schön formuliert hat: Robert war kein Besserwisser, er war ein „Mehrwisser“. Und das, was ihn mitunter mühsam gemacht hat, hat die ZiB2 letztlich immer besser gemacht. Und das wussten wir natürlich auch.
„GRÖSSTES ANZUNEHMENDES UNTIER“
Außer für Journalismus, Politik und Kultur hat sich Robert vor allem für technische Dinge interessiert, für die ersten Computer und Mobiltelefone, moderne Medizin, für Autos und mechanische Uhren. Den reflexhaften österreichischen Widerstand gegen Gentechnik und Atomkraft fand er „hysterisch“. Seine Katze taufte er „Super-Gau“ („Größtes anzunehmendes Untier“), sein Wohnzimmer hätte er „jederzeit mit Reaktorblock 4 in Tschernobyl geheizt“. Und bis wenige Jahre vor seinem Tod rauchte er Pfeife. Auch im Büro. Ok, das ist wirklich lange her.
Am Bildschirm hatte Robert eine ganz eigene Leichtigkeit, dabei fiel ihm das Leben oft schwer. Seine jahrelangen Depressionen waren kein Geheimnis und er hat in Interviews davon erzählt, auch um anderen Betroffenen zu helfen. Für Menschen wie meine Mutter, eine Supermarkt-Kassierin, war das wichtig: „Wenn so ein toller Mann Depressionen hat“, hat sie mir mal gesagt, „dann darf ich auch welche haben“.
Über viele dieser Dinge hat Robert in seinem letzten großen Interview gesprochen, das er – bereits todkrank – FALTER-Chef Armin Thurnher gegeben hat, mit der Auflage, es erst nach seinem Tod zu drucken. Das hochspannende Gespräch über Roberts Leben, seine Karriere, österreichische Medien und Politik wurde so ausführlich, dass es der FALTER in zwei Ausgaben veröffentlicht hat – hier Teil 1 und Teil 2 zum Nachlesen.
Er sagt darin auch: „Ich bin überzeugt davon, dass ein paar Jahre lang die Leute sagen werden: ‚Ja, der Hochner.‘ Und in zehn Jahren, in fünfzehn Jahren wird sich jemand die Bandln anschauen und wird sagen: ‚Heast – das war eigentlich net so guat, das war ja eigentlich ein bisschen lächerlich‘.“
Da hat er sich geirrt. Auch wenn man zwanzig Jahre später die „Bandln“ in der TVthek anschaut, versteht man sofort, warum Robert Hochner der beste Fernsehmoderator war, den Österreich je hatte.
Mich verbindet neben vielen Erinnerungen auch noch ein Andenken mit ihm. Robert hat Uhren gesammelt und mir eine davon hinterlassen. Wenn ich weiß, dass eine Sendung besonders schwierig oder heikel wird, trage ich sie.