Knapp sieben Stunden bis zum „Pomfineberer“

Die ZEIT hat einen wunderbaren Podcast mit dem Titel „Alles gesagt?“, der auf eine gewisse Weise sowas ist wie das Gegenteil eines ZiB2-Interviews. Zeit spielt keine Rolle. Die Gespräche, die immer Jochen Wegner von ZEIT ONLINE und Christoph Amend vom ZEIT MAGAZIN gemeinsam führen, dauern so lange, bis der jeweilige Gast nicht mehr mag.

Das können nur zwölf Minuten sein wie im ersten Versuch mit TV-Moderator Ulrich Wickert oder mehr als neun Stunden mit der Journalistin Hadija Haruna-Oelker. Erst in dem Moment, in dem der Gast ein zu Beginn vereinbartes „Schlusswort“ ausspricht, endet das Gespräch. Und zwar exakt dann, notfalls auch mitten im Satz.

Als jemand, der in der Regel Interviews zwischen sechs und zwölf, maximal 15 Minuten führt (und sehr selten bis zu einer Stunde wie bei „Sommergesprächen“ oder mit Wladimir Putin), konnte ich mir schwer vorstellen, dass Gespräche von sechs oder acht Stunden wirklich funktionieren. Aber als ich letztes Jahr drei Tage im Krankenhaus war, habe ich mir nach dem Hinweis eines Freundes die „Alles gesagt?“-Folge mit dem Berliner Kunstsammler Christian Boros angehört. Knapp sechseinhalb Stunden – und ich fand sie fabelhaft.

Seither habe ich etliche der Gespräche gehört – das längste waren acht Stunden und sieben Minuten mit Schriftstellerin Juli Zeh –  und bin dabei zu einem echten Fan des Formats geworden, in dem von Ai Weiwei und Paul Auster über Alice Schwarzer und Nora Tschirner bis Igor Levit und Deborah Feldman schon mehr als sechzig interessante Menschen zu Gast waren.

Dementsprechend gefreut habe ich mich, als ich selbst eine Einladung in den „unendlichen Podcast“ bekam. Ende März haben wir die Folge in Berlin aufgezeichnet, seit diesem Wochenende ist das Gespräch online (natürlich auch auf allen gängigen Pocdast-Plattformen).

Podcast-Link

Es geht um Fernsehen und Schülerzeitungen, um strenge Eltern, österreichische Schlamperei und deutsche Besserwisserei, um Jörg Haider, Saddam Hussein und Wladimir Putin, um Sprechen mit vollem Mund, Bier, Wein und die „Apfelsaft-Fraktion“, um Cordoba, Karl May, Gendern, Revolutionen und künstliche Intelligenz. Kurz vor Mitternacht sagte ich mein Schlusswort „Pomfineberer“ (wird für Nicht-Wiener·innen erklärt) – und das Gespräch war vorbei. Nach sechs Stunden und 52 Minuten.

Die sind erstaunlich schnell vergangen. Im Hotel bin ich dann gegen halb zwei ins Bett. Als ich um halb vier zwar todmüde aber noch immer nicht eingeschlafen war, obwohl ich um sechs Richtung Flughafen musste, habe ich realisiert, dass das doch anstrengender war, als ich dachte. Ich hatte mich jedenfalls bemüht, keinen allzu großen Unsinn zu reden, der einen dann jahrelang online verfolgt.

Mindestens zwei Fehlleistungen sind mir trotzdem passiert, beide – wenig überraschend – beim Thema Sport: Das legendäre Cordoba-Match 1978 hat nicht Edi Finger jun. moderiert, sondern sein noch berühmterer Vater. Und ich habe Armin Assinger als ehemaligen „Slalomfahrer“ bezeichnet. Sorry! Immerhin hat die Sportart gestimmt, bei meinen Sportkenntnissen ist das nicht selbstverständlich. Beim Nachhören habe ich außerdem festgestellt, dass ich noch schneller sprechen kann, als ich ohnehin vermutete. Das hat aber auch einen Vorteil: So sind es „nur“ knapp sieben Stunden geworden und nicht neun bis zehn.

Und es ist ziemlich absurd, wie oft ich „absurd“ sagen kann, ohne es zu bemerken.


Beitragsbild: Alena Schmick für ZEIT ONLINE