Aus der 5d ins Radio

Vor 100 Jahren kam das Radio nach Österreich – und nach Tirol. Zu diesem Jubiläum hat der Zeithistoriker und ORF-Tirol-Redakteur Benedikt Kapferer, den ich vor einigen Jahren als außergewöhnlich talentierten Praktikanten in der ZiB2-Redaktion kennengelernt habe, ein sehr schönes Buch geschrieben (das auf einer Forschungsarbeit für die Uni Innsbruck beruht).

Buch-Cover„Das Mikrofon im Dorf“ ist wahrscheinlich für Menschen, die Tirol, seine Radiosender, die eine oder andere (frühere) Sendung und deren Macher·innen kennen, interessanter als für andere, aber es ist ein exzellent recherchierter, informativer, mit vielen Fotos illustrierter und sehr lesbar geschriebener Überblick zur Geschichte des Hörfunks in Tirol, von den technischen Anfängen, über die turbulente Nachkriegszeit (in der der Bruder des Ex-Kanzlers Schuschnigg das Innsbrucker Studio leitete) über die Südtiroler Piratenradios der 1980er und 90er Jahre bis zur heutigen Audio-Landschaft.

Ein großartiges Stück Zeitgeschichte ist ein (auch im Original abgedruckter) Aktenvermerk des legendären Landeshauptmanns Wallnöfer über sein Treffen mit dem damals neubestellten ORF-Generalintendanten Gerd Bacher, bei dem die beiden selbstbewussten Granden stritten, wie sehr „Walli“ bei der Besetzung des Chefs in “seinem” Landesstudio mitentscheiden dürfe (gar nicht, fand Bacher; ja, wer denn sonst, fand Wallnöfer. Bacher setzte sich durch.)

Der gut gelaunte Mann am Cover des Buches ist übrigens der junge Ernst Grissemann, der später in Wien Ö3-Chef wurde, dann Radiointendant und als „the voice“ im ganzen Land berühmt – der aber einst im Innsbruck Landesstudio begonnen hat, wie Axel Corti, Dietmar Schönherr oder Krista Hauser. Ich übrigens auch, direkt nach meiner Matura im Haus nebenan (wo auch Andi Knoll Rechnungswesen, BWL und Maschinschreiben lernte, bevor er bei „Radio Transalpin“ startete) – und Benedikt Kapferer hat mich gebeten, für sein Buch einen kleinen Gastbeitrag über meine zweieinhalb Jahre im Landesstudio zu schreiben. Das habe ich sehr gerne gemacht – hier ist er (mit Erlaubnis des Tyrolia-Verlags):


AUS DEM FENSTER DER HANDELSAKADEMIE

Aus dem Fenster der Maturaklasse 5d in der Innsbrucker Handelsakademie konnte ich hinunterschauen auf das Dach des ORF-Landesstudios am Rennweg. Nur der kleine Schulparkplatz mit den Dutzenden Vespas trennte die beiden Gebäude. Im Frühling 1985, kurz vor meiner Matura, marschierte ich die paar Schritte hinüber zu einer Audienz bei Siegfried „Sigi“ Wagner, dem legendären silberbärtigen Chefredakteur von ORF Tirol.

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Wie führe ich ein kritisches Interview?

Vor wenigen Tagen ist der Sammelband „Praktischer Journalismus“ erschienen, den ich gemeinsam mit Ingrid Brodnig, Florian Klenk und Gabi Waldner herausgegeben habe, und in dem 60 Medienprofis jeden denkbaren Aspekt unseres Berufes erklären. In meinem Kapitel habe ich über das geschrieben, was ich seit 22 Jahren im ZiB2-Studio hauptsächlich mache: Kontroversielle – also kritische – Interviews.

Cover 2024„Praktischer Journalismus“ soll ja tatsächlich ein möglichst praktisches Buch sein – für junge Journalist·innen, aber auch für alle, die sich dafür interessieren, wie Medien im Alltag gemacht werden. Deshalb war unsere Bitte an alle Autor·innen, möglichst praxisnah zu beschreiben, was man zu ihrem Thema jedenfalls wissen muss (hier das Inhaltsverzeichnis).

Genau das habe ich auch in meinem Kapitel versucht: Wie führt man ein kritisches Interview in Radio und Fernsehen? Und das ist dabei herausgekommen (im Buch findet es sich auf den Seiten 122-128, ich veröffentliche das Kapitel hier mit Genehmigung des Falter Verlags):


„DAS WAR NICHT MEINE FRAGE“

(Kontroversielle) Interviews in Radio und TV

Von höherer Stelle könnte die Definition kaum kommen: Ein Interview ist eine „Sendeform, die aus kontroversieller Rede und Gegenrede besteht“.

So hat es 1989 der Verfassungsgerichtshof festgeschrieben, nach einer Beschwerde gegen das bis dahin wohl umstrittenste Interview der österreichischen Fernsehgeschichte. Die beiden ORF-Journalisten Peter Rabl und Hans Benedict hatten im Hauptabend-Programm Bundespräsident Kurt Waldheim zum Umgang mit seiner Kriegsvergangenheit befragt. Waldheim war von den durchaus harten Fragen not amused und etliche Fans des Präsidenten beschwerten sich bei der damals zuständigen Rundfunkkommission wegen angeblicher Verstöße gegen das Objektivitätsgebot.

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Die Kommission war geradezu entsetzt über das Interview, über die „ungeheure Anmaßung eines Journalisten“ (gemeint war Rabl), einen „frontalen Angriff“ auf das Staatsoberhaupt, eine „krassere Form der Parteilichkeit und der Einseitigkeit“ wäre „kaum vorstellbar“. Der Fall ging durch die Instanzen bis zum Verfassungsgericht, das die Beschwerde schließlich abwies. Mit einer Begründung, die bis heute definiert, was bei Interviews im (öffentlich-rechtlichen) Radio und Fernsehen zulässig ist.

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