Ich bin seit meinem 19. Lebenjahr Journalist. In diesen 28 Jahren hatte ich einige fantastische Lehrmeister (Danke, Roland Machatschke, Franz Kössler, Raimund Löw, Johannes Fischer!) und viele, viele tolle KollegInnen, von denen ich sehr viel gelernt habe und bis heute lerne. Zu viele, um sie alle hier aufzuzählen.
Und ich hatte drei journalistische HeldInnen: Die hinreißende Barbara Coudenhove-Kalergi (unbedingt lesen: ihre Autobiografie „Zuhause ist überall“), den unvergleichlichen, viel zu früh verstorbenen Robert Hochner und Oscar Bronner.
Barbara Coudenhove und Robert Hochner durfte ich näher kennenlernen und mit beiden arbeiten. Oscar Bronner hingegen kenne ich persönlich kaum. Aber mein Interesse am Journalismus begann als 15jähriger mit einer PROFIL-Titelgeschichte über „Die Journalisten“. Da war Bronner schon etliche Jahre nicht mehr beim PROFIL, das er ein Jahrzehnt zuvor als 27jähriger (!) gegründet hatte, und sein Name sagte mir damals noch nichts.
Erste Begegnung 1988
Wenige Monate, nachdem ich Anfang 1988 vom Tiroler ORF-Landesstudio nach Wien zu Ö1 gewechselt war, sah ich ihn das erste Mal bei einer Diskussion (ich glaube, es war im Presseclub Concordia), bei der er von seinem Plan erzählte, eine neue Tageszeitung zu gründen – weil er nach 13 Jahren von New York zurück nach Wien übersiedelt sei und hier eine Zeitung von der Qualität der New York Times vermisse. Das fand ich ziemlich anmaßend.
Aber der damals 45jährige Bronner war eine beeindruckende Figur – auch mit seiner brummigen Stimme, die meine Jugend im Radio begleitet hatte, in „Schlager für Fortgeschrittene“. Das war natürlich sein Vater gewesen, aber die beiden klangen frappierend ähnlich.
Heute vor 25 Jahren ist der erste STANDARD dann erschienen. Und er war natürlich nicht die New York Times. Und ist es auch heute noch nicht. Aber er war von Anfang an ein wirklicher Gewinn in der österreichischen Medienlandschaft. (Manche meinen ja, die tollste Leistung des STANDARD ist, was er aus der PRESSE gemacht hat.)
Der Gründer von TREND, PROFIL und STANDARD
Besonders viele Qualitätsmedien gibt’s ja nicht in Österreich. Und gleich drei davon hat Oscar Bronner gegründet: den TREND, das PROFIL und eben den STANDARD. Das macht ihn zu einer Ausnahmefigur in der heimischen Medienszene.
Der Mann ist ein Verleger wie aus dem Bilderbuch. Er hat – v. a. mit dem Verkauf von TREND und PROFIL – viel Geld verdient, aber er war definitiv nie im Zeitungsgeschäft, um reich zu werden. Sondern weil er gute Zeitungen machen wollte. Und das mit einer Beharrlichkeit und Sturheit gegen Bedenken und Widerstände, die ich einfach bewundere (im Detail nachzulesen in der sehr guten Bronner-Biografie „Trotzdem“ von Eva Weissenberger & Klaus Stimeder).
Zum 25. Geburtstag des STANDARD hat mich Chefredakteurin Alexandra Föderl-Schmid eingeladen, Bronner für die Jubiläumsausgabe zu interviewen. Vor zehn Tagen haben wir uns für knapp zwei Stunden in seinem Büro im neuen STANDARD-Gebäude getroffen – heute steht eine gekürzte Fassung des Gesprächs in der Zeitung und die Langfassung online.
Ein langes Interview – und eine leichte Autorisierung
Print-Interviews werden ja in der Regel autorisiert, also vor dem Abdruck vom Gesprächspartner gegengelesen. Und das ist oft – wie jeder Zeitungsjournalist ausführlich erzählen kann – ein mühsamer Prozess, in dem die stärksten „Sager“ wieder gestrichen oder zumindest entschärft werden, weil der Interviewte draufkommt, dass er zu flapsig war oder zu offen oder jemanden verärgern könnte.
Stunden- oder gar tagelang wird da mitunter gestritten und um Formulierungen gerungen. Die Manuskripte werden zu grafischen Schlachtfeldern aus Kürzungen, Durchstreichungen und Ergänzungen. So mancher Interviewte lässt sich im Nachhinein gar noch Fragen einfallen (nach dem Motto: Ich hätte da eine Antwort, aber Sie hatten keine Frage dazu).
Im Fernsehen kennen wir dieses Problem glücklicherweise nicht: was gesagt ist, ist gesagt. Ich war also ziemlich gespannt.
Das Originaltranskript meines Gesprächs mit Bronner hatte knapp 40.000 Zeichen. Die Druckfassung hat etwa 12.500, die Langfassung fürs Netz knapp 32.000 (ist also – Achtung! – ziemlich lang).
Zuerst bekam Bronner die Druckversion zur Autorisierung (Ich schrieb ihm: „Ich gehe davon aus, dass der Präsident des Presserates nicht wie ein Politiker autorisiert.“). Er wollte gerademal sechs Wörter bzw. Formulierungen geändert haben, nichts davon war eine inhaltliche Frage. In der Langfassung korrigierte er eine einzige Zahl, bei der er sich geirrt hatte. Also – das war easy.
Als ich Bronner die beiden Fassungen schickte, schrieb ich auch: „Ich hoffe, Sie finden sich wieder“. Er antwortete: „Ich finde mich wieder – als kurzangebundener Griesgram“. Ich war nicht seiner Meinung.
Zwei Tage später schrieb er mir nochmal: „Mit etwas Abstand scheint mir das Interview doch ganz interessant geworden zu sein“. Wer Oscar Bronner kennt, weiß, dass das ein Lob ist.
Es hat mich gefreut.