Heute tritt der neue Nationalrat zusammen und erstmals seit Heinz-Christian Strache FPÖ-Chef ist, kommen die Freiheitlichen zur Angelobung nicht mit blauen Kornblumen im Revers, sondern mit Edelweiß.
Die Kornblume war von Anfang an hochumstritten, weil sie traditionell das Symbol der Deutschnationalen in Österreich war und ein Erkennungszeichen der illegalen Nazis in der Ersten Republik.
Trotzdem hat die FPÖ ihre Kornblumen viele Jahre lang vehement verteidigt – mit ziemlich fragwürdigen Begründungen, denen ich während des Präsidentschafts-Wahlkampfs 2016 mal nachgegangen bin – siehe unten.
Interessant übrigens, dass die FPÖ sich gerade jetzt von der Kornblume verabschiedet, denn gleichzeitig hatte sie noch nie so viele Abgeordnete, die Mitglied in deutschnationalen Burschen- oder Mädelschaften sind (20 von 51) wie in der Fraktion, die heute angelobt wird. Mit Edelweiß. Denn das stehe für „Mut, Tapferkeit und Liebe“, erklärt Parteichef Strache jetzt.
„Blühst so rein, klein und fein“, heißt es bekanntlich im berühmten Edelweiß-Lied aus „Sound of Music“. Und: „Bleib mir treu, bleib mir treu fürs Leben.“
Sag mir, wo die Blumen sind
(Facebook-Eintrag vom 1. Mai 2016)
Diese Woche wurde Norbert Hofer bei einer Pressekonferenz mit FPÖ-Chef Strache gefragt, ob er bei seiner möglichen Angelobung als Bundespräsident eine Kornblume tragen werde, wie zuletzt 2013 alle FPÖ-Abgeordneten in der ersten Sitzung des Nationalrats nach der Wahl. Der blaue Blumengruss ist nicht unumstritten, weil Kornblumen vor 1938 das Erkennungszeichen der illegalen Nazis in Österreich waren.
„Diese Blume kommt aus 1848 aus der bürgerlichen Freiheitsbewegung“, meinte Herr Strache und Herr Hofer ergänzte: „Sie ist ja auch die Europablume übrigens.“
Dieses Argument ist nicht neu. „Die Kornblume ist traditionell die Blume der Freiheitsbewegung schon seit dem 19. Jahrhundert. Und sie ist auch die Europablume des Europarats“. So hat 2013 FPÖ-Abgeordneter Walter Rosenkranz die Kornblumen an den Sakkos seiner Fraktionskollegen im Nationalrat begründet.
Das Problem an dieser Erklärung ist: Es gibt keine Europablume.
Weder eine des Europarats noch sonst eine. Jedenfalls keine, die sich irgendwo nachweisen lässt. (Mal abgesehen von zwei Installationen des Künstlers Rudolf Olm in zwei deutschen Gemeinden, die zwar so heißen, aber nur entfernt an eine Blume erinnern — siehe Foto.)
Was sich in den Weiten des Internets findet, ist eine Briefmarkenserie mit dem Titel „Europa-Blume“, herausgegeben vom Verein CEPT, einer Vereinigung europäischer Postbehörden. Zu ihrem fünfjährigen Geburtstag erschien 1964 in allen Mitgliedsländern eine Briefmarke mit der Aufschrift Europa und einer stilisierten Blume. In manchen Länderversionen ist diese Blume blau (wie die Kornblume), in anderen grün, rot, lila oder pink – und es ist auch keine Kornblume, sondern ein stilisiertes Gänseblümchen. Die 22 Blütenblätter stehen für die 22 damaligen CEPT-Mitgliedsstaaten.
Und dann wäre da noch die „Euroblume“ – das mitunter so genannte EU-Umweltzeichen, eingeführt 1992. Um in den zwölf blauen Sternen, welche die zwölf damaligen EG-Mitglieder symbolisieren, eine Kornblume zu sehen, bräuchte man allerdings schon außergewöhnlich viel Fantasie.
Wie die FPÖ also je auf eine „Europablume“ gekommen ist, bleibt ein Rätsel.
Ähnlich tragfähig ist die Geschichte von der Kornblume und der „bürgerlichen Freiheitsbewegung von 1848“. Tatsächlich ist die Kornblume ein politisches Symbol aus dem Deutschland des 19. Jahrhunderts. Sie galt als die Lieblingsblume des deutschen Kaisers Wilhelm I., seit seine Mutter ihren Kindern auf der Flucht vor Napoleon in einem Feld Kränze aus Kornblumen geflochten haben soll. Als Kaiser erklärte Wilhelm die Kornblume dann zur „preußischen Blume“.
Nur mit der „bürgerlichen Freiheitsbewegung“ hatte es Wilhelm nicht allzu sehr. Als Thronfolger wollte er im März 1848 den Aufstand in Berlin einfach niederschießen lassen, was ihn bei den Revolutionären so verhasst machte, dass er nach London flüchten musste, um sein Leben zu retten.
Erst gut drei Jahrzehnte später wurde die Lieblingsblume des deutschen Kaisers auch in Österreich populär – als offizielles Parteisymbol der radikalen, deutschnationalen und antisemitischen „Alldeutschen“-Vereinigung von Georg Ritter von Schönerer, der Adolf Hitler stark beeinflusst hat, wie Brigitte Hamann in „Hitlers Wien“ ausführlich beschreibt.
In den Spätjahren der k.u.k.-Monarchie wurde die Kornblume so zum Symbol der Deutschnationalen und zwischen 1933 und 1938 schließlich zu einem Erkennungszeichen der illegalen Nationalsozialisten in Österreich. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb sie in den 1950er Jahren noch in deutschnationalen Vereinen wie dem Turnerbund beliebt (u.a. nachzulesen in Peter Diem: Die Symbole Österreichs).
Das mag für die Tradition der FPÖ, bei Angelobungen Kornblumen im Knopfloch zu tragen, alles keine Rolle spielen. Vielleicht geht es ja wirklich nur um ihre blaue Farbe.
Um 1848 und eine „Europablume“ geht es eher nicht.