ZiB2-Interview vom 5.1.2004 – Transkript

AUA Maschine bei München notgelandet: Interview mit AUA-Chefpilot Gustav Baldauf


Armin Wolf: Bei mir im Studio ist jetzt der Chefpilot der AUA. Gustav Baldauf, guten Abend, danke fürs Kommen. Herr Baldauf, die Maschine in München wird seit Stunden untersucht. Es sind auch Kollegen von Ihnen von der AUA dort. Wissen Sie schon, was da genau heute passiert ist?

Gustav Baldauf (AUA): Wir haben heute noch keinen Meldungen von der Flugunfallkommission. Es wird also noch einige Zeit dauern, bis wir genaue Meldungen haben. Es werden diese Flugschreiber ausgewertet. Es werden diese Blackboxes von Bord genommen und ausgewertet. Und werden heute Nacht oder morgen ausgewertet. Danach kann man näheres sagen.

Was haben denn Ihre beiden Kollegen, die die Maschine geflogen sind, erzählt, was passiert ist?

Ich hab also mit dem Kapitän telefoniert. Der hat mir eine sehr detaillierte Schilderung eigentlich dieses Anfluges gegeben. Und wie in diesem Beitrag schon erwähnt wurde. Es traten Probleme auf. Vibrationen. Leistungsabfall. Und man hat sich schlussendlich entschlossen, auf einer Wiese kontrolliert eine Außenlandung zu machen.Und das war eine ganz tolle Leistung. Eine kontrollierte Außenlandung ist also nicht einfach.

Gut, jetzt haben wir gehört: Es gab 30 Prozent Triebwerksleistung bei beiden Triebwerken. Aber ein paar Kilometer vom Flughafen München entfernt. Jetzt würde man sich als Laie vorstellen, dass man auch mit einem Drittel der Leistung noch die paar Kilometer fliegen kann.

Das war auch ursprünglich die Annahme der Piloten. Man hat aber gesehen, dass die Sinkrate des Flugzeuges zu hoch ist und dann wird es nicht schaffen, bis zum Flugplatz und hat sich dann entschlossen, auf der Wiese zu landen.

Und jetzt haben Sie schon gesagt, es ist nicht ganz einfach so eine Landung. Aber vielleicht können Sie ein bisschen mehr erzählen. Wie schwierig ist so was? Kann man das überhaupt üben auf einem Flugsimulator?

Auf einem Simulator kann man das üben. Wir üben nicht Außenlandungen. Wir üben Notlandungen. Natürlich auch auf Pisten. Wir üben  Rücklandungen bei Totalausfall der Triebwerke.

Auf was muss man jetzt aufpassen? Es hat geheißen, hätt’s da gröbere Hügel gegeben auf diesem Feld. Dann hätte es auch zu einer Katastrophe kommen können. Und die Maschine hätt’s zerreißen können.

Ja, das sind Annahmen sag ich. Wir sind froh, dass es diesen Acker gegeben hat. Und wir sind froh, dass wir die Maschine so hinuntergebracht haben. Ihre erste Frage war: Kann man das im Simulator so trainieren? Man kann sämtliche Notfälle im Simulator trainieren und unsere Leute sind auch geschult auf das.

Gut, wenn man alles trainieren kann. Jetzt gab’s da zufällig eine Feld vor dem Flughafen München. Was wäre passiert, wenn da kein Feld gewesen wäre, sondern wie in Wien vor dem Flughafen
Schwechat eine Ölraffinerie?

Ja, die Raffinerie ist nicht in Anflugrichtung. In Anflugrichtung zum Beispiel auf Piste 11 in Wien haben wir auch ein Feld. Auch von der anderen Seite her, sind freie Flächen vor der Piste. Aber es ist natürlich schwierig ein richtiges Gelände zu finden. Und Gott sei Dank ist es in München so ausgegangen.

Und jetzt nochmal: Was wäre passiert, wenn’s nicht so ist. Man kann in Wien auch landen und davor kilometerweit über die Stadt
fliegen.

Ja, dass ein Flugweg führt ja natürlich irgendwann über bewohntes Gebiet. Aber wie gesagt, der Pilot hat sich entschlossen ein Wiese kontrolliert anzufliegen. Und das ist auch in Wien möglich. Also es ist nicht so, dass man jetzt unbedingt auf dem Flugweg bleiben muss. Wenn ich also seh, ich schaff es nicht bis zum Flugplatz, dann werd ich mir einen geeigneten Platz suchen.

Also soweit steuerbar war das Flugzeug?

Das Flugzeug war voll steuerbar. Es war ja volle elektrische Leistung da und es war auch von der Hydraulik alles vorhanden.

Was wäre, wenn dieser Schaden früher passiert wäre? Ein paar Minuten früher, wenn man, ich weiß nicht, noch in 8000 Meter Höhe gewesen wäre?

Also, je mehr Höhe sie haben, desto besser ist es eigentlich, weil sie mehr Zeit haben und die Flugleistung, die Segelleistung dieses Flugzeugs ist nicht schlecht. Also, sie kommen also schon in Richtung des Flugplatzes, sie fliegen eine bestimmte Anflugroute. Wenn sie einen Notfall haben, dann kommen sie natürlich mit einem Direktweg zur Piste, schneller zur Piste, und haben vielleicht auch die Chance auf der Piste zu landen.

Jetzt verstehe ich natürlich, dass die AUA sehr stolz auf ihre beiden Piloten ist, die ja offensichtlich eine tolle Leistung vollbracht haben. Trotzdem fragt man sich, wie kann das passieren, dass bei einer bestens gewarteten Maschine beide Triebwerke ausfallen?

Ja, wie gesagt, die Triebwerke sind nicht ausgefallen, es war…

... ja, soweit ausgefallen, dass sie nicht bis zum Flughafen gekommen sind. Das reicht mir als Laien zum Ausfallen.

Wie gesagt, es kann immer wieder passieren, unser Safety Offizier hat das erklärt, dass durch Fremdeinwirkung, dass heißt durch Vogelschlag oder was auch immer, Triebwerke beschädigt werden. Und dann müssen sie die entsprechenden Aktionen setzen und ich denke, das heute war die richtige Aktion.

Na, wie oft passiert es, dass beide Triebwerke ausfallen?

Das passiert äußerst selten. Und ich erinnere mich nicht an einen Fall, dass das bei uns einmal passiert wäre.

Sollte Ihnen das nicht zu denken geben, angeblich heißt es jetzt die Triebwerke könnten vereist gewesen sein. So enorm kalt war es heute auch wieder nicht?

Sie dürfen nicht die Temperatur am Boden nehmen, sie müssen die Temperatur in der Luft nehmen.

Ist schon klar, aber in der Luft ist es meistens kalt.

Ja, wie gesagt, sie war nicht so kalt. Also die Temperatur in einer bestimmten Höhe ist entscheidend für die Eisbildung am Flugzeug.

Können Sie mir jetzt eigentlich mit gutem Gewissen raten, dass ich morgen wieder in eine Fokker 70 einsteige?

Ja, das kann ich Ihnen raten. Der Sicherheitsstandard bei unseren Flugzeugen ist sehr hoch. Wir haben jetzt zusätzliche Maßnahmen, Präventivmaßnahmen eingeleitet, das heißt jedes Flugzeug, jedes Triebwerk wird vorher intensiv untersucht , um auch hier jede Gefährdung fernzuhalten.

Aber da müssten Sie jetzt eigentlich, solange Sie nicht wirklich wissen, was da passiert ist, alle Fokker 70 am Boden lassen? Bis Sie eigentlich ein Ergebnis haben, was diese Maschine passiert ist?

Wenn wir einen Hinweis haben, dass die Triebwerke das Problem waren, dann würde ich sagen, die Flugzeuge bleiben am Boden. Nachdem wir aber bestens gewartete Flugzeuge haben und das Flugzeug war ein Flugzeug ohne jeden Remark, ohne jede Notiz einer Beschädigung, dann kann man ohne weiteres mit dem Flugzeug weiterfliegen.

Und was wird mit dem konkreten Flugzeug von München jetzt passieren eigentlich?

Das wird einmal geborgen werden und dann wird untersucht, wie groß ist die Beschädigung. Was kann man mit dem Flugzeug noch machen.

Kann es sein, dass es noch mal fliegt?

Das könnte sein.

Danke für den Besuch im Studio.

Armin Wolf ist Journalist und TV-Moderator. Sein Blog befasst sich v.a. mit Medien und Politik.

Armin Wolf