1990 auf den afrikanischen Komoren, 2004 in der Ukraine, 2005 in Abchasien und kommenden Oktober in Haiti – das sind die einzigen Präsidentenwahlen der letzten 30 Jahren,die wegen Unregelmäßigkeiten wiederholt werden mussten (ich hoffe, ich habe keine übersehen). Und nun auch 2016 in Österreich.
Noch nie wurde hierzulande eine Wahl bundesweit wiederholt. Aber der Verfassungsgerichtshof ist heute bei seiner strengen Rechtssprechung aus der Vergangenheit geblieben: Für eine Aufhebung genügt es demnach, dass es Rechtswidrigkeiten gegeben hat – und dass sie das Ergebnis beeinflusst haben könnten.
Das ist strenger als es in der Verfassung selbst steht, wo es wörtlich heißt „… wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Verfahrens erwiesen wurde und auf das Verfahrensergebnis von Einfluss war“. Aber das Gericht hat heute klar gemacht, dass der ordnungsgemäße Ablauf der Wahl für einen Rechtsstaat so fundamental ist, dass alleine die Möglichkeit zu einer Manipulation, die das Ergebnis verändern könnte, für eine Aufhebung ausreicht. Und es hat damit seine jahrzehntelange Judikatur fortgeschrieben.
In den 14 Bezirken, in denen es laut VfGH Rechtswidrigkeiten bei der Auswertung der Briefwahl gab, wurden knapp 78.000 Stimmen ausgezählt, der Vorsprung von Vand der Bellen vor Hofer betrug aber lediglich 30.863 Stimmen – deshalb sei die Wahl zu wiederholen.
Bundesweit deshalb, weil ja Wahlberechtigte aus den 14 Bezirken am 22. Mai woanders per Briefwahl wählen konnten – theoretisch könnte dann also jemand bei einer Wiederholung nur dort zwei Mal seine Stimme abgeben.
Der überraschendste Teil des Erkenntnisses (so heißen Entscheidungen des VfGH) war aber ein anderer: Die Praxis des Innenministeriums, schon vor dem Wahlschluss um 17h00 Ergebnisse aus bereits ausgezählten Gemeinden für Hochrechnungen an Medien weiterzugeben, sei rechtswidrig, sagen die Richter, weil das die Wahl beeinflussen könnte (spät entschlossene Wähler die so erfahren könnten, wie es „steht“, könnten „taktisch“ wählen). Das Innenministerium habe „diese Rechtswidrigkeit abzustellen“.
Laut Richtern hätte diese Vorab-Information an die Medien alleine schon dafür genügt, die Wahl aufzuheben. Das ist deshalb überraschend, weil diese Praxis jahrzehntealt ist und noch nie beanstandet wurde. Aber das Verfassungsgericht kann sich dazu nur äußern, wenn es angerufen wird – und das war bisher noch nie der Fall.
Nun wird also die Stichwahl wiederholt, voraussichtlich am letzten September- oder ersten Oktober-Sonntag. (In der Zwischenzeit führen die drei Nationalratspräsidenten als Kollektivorgan die Geschäfte des Bundespräsidenten. Die Amtszeit von Heinz Fischer kann nicht verlängert werden. ) Der Kreis der Wahlberechtigten ist derselbe wie bei der ersten Runde, d.h. wer in der Zwischenzeit 16 wird, darf trotzdem nicht mitwählen. Es stehen wieder Norbert Hofer und Alexander van der Bellen auf dem Stimmzettel.
Sollte übrigens bis 31 Tage vor der Wahl einer der beiden aus irgendeinem Grund nicht mehr zur Verfügung stehen, gibt es eine Art Volksabstimmung über den einzigen verbliebenen Kandidaten. Bekommt er über 50%, ist er gewählt, sonst braucht es eine völlig neue Bundespräsidentenwahl. Sollte ein Kandidat später als 31 Tage vor der Wahl ausscheiden, gibt es allerdings eine Gesetzeslücke: dieser Fall ist nicht geregelt. Muss dann die ganze Wahl neu ausgeschrieben werden oder gibt es nur eine Abstimmung über den einzigen Kandidaten? Das ist unklar.
Eindeutig festgelegt ist dafür, was passiert, wenn die neue Stichwahl ex aequo ausgehen sollte (sehr, sehr unwahrscheinlich): Dann muss nocheinmal gewählt werden. So lange, bis einer vorne liegt.