Armin Wolf: Und ich begrüße Bürgermeister Wolfgang Matt jetzt in unserem Landesstudio Vorarlberg. Guten Abend.
Wolfgang Matt: Guten Abend.
Herr Bürgermeister, das sind ja wirklich schwere Vorwürfe der Heimärztin, die wir gerade noch mal gehört haben. Warum sind Sie eigentlich nicht einfach heimgegangen als Ihnen die Ärztin gesagt hat, Sie kommen heute noch nicht dran, sondern sind zum Heimleiter gegangen und haben sich eine Sondergenehmigung geholt?
Das stimmt so überhaupt nicht. Ich bin der letzte gewesen, der das Haus betreten hat. Es war keine, keine Menschen waren mehr vor dem Haus, die gewartet haben. Im Warteraum waren noch zwei oder drei Menschen, die auf die Registrierung und dann auf die Impfung gewartet haben. Dann hat die Ärztin gesagt, „Sie sind nicht in dieser Gruppe, Sie kommen heute auch nicht dran“. Dann habe ich gesagt, ja das ist okay, ich habe nur gehört, eventuell könnte Impfstoff am Schluss übrigbleiben, wenn dem so wäre, ich wäre auf Abruf und deshalb bin ich dann auch in weiterer Folge in einer Ecke, in einem Warteraum habe ich weiter gewartet und dann habe ich gesehen, dass Menschen angerufen wurden, die sind dann auch gekommen, haben sich impfen gelassen, impfen lassen und am Schluss hat man mich dann auf einmal aufgefordert und hat gesagt, eine Dosis gibt es noch und dann habe ich gesagt, die nehme ich ganz gerne.
Meine Frage noch mal. Warum sind Sie nicht einfach heimgegangen?
Ja weil ich gehört habe, dass am Schluss einer solchen Impfaktion immer ein Restposten übrigbleibt. Und ich schmeiße zu Hause auch kein hartes Brot weg, sondern da wird dann noch ein Toast gemacht. Und ich denke, es ist auch schade, wenn man eine Impfdosis wegschmeißen muss. Wenn diese auf null gewesen wäre und mir gesagt hätte, es gibt keine Impfdosis mehr, wäre ich auch anstandslos nach Hause gegangen. Ich habe auch nie reklamiert. Ich habe mich auch nie vorgedrängt.
Aber Herr Bürgermeister, Sie sind Bürgermeister in Feldkirch und Sie haben heute mehrfach betont, dass Sie Eigentümervertreter des Seniorenheims sind. Wäre es da nicht Ihre Aufgabe, diese Impfaktion so zu organisieren, dass keine Impfdosen übrigbleiben?
Ja das geht. Das wird auch so organisiert.
Ja offenbar nicht.
Es ist…. Doch das wird so organisiert und das habe ich versucht jetzt zu erklären. Es gibt, also man kann ja nicht ganz genau sagen, wie viel Dosen aus einer Ampulle gezogen werden. Das können zwischen vier und sieben sein, je nachdem wie es dem Arzt auch da gelingt. Und deshalb kann auch nicht ganz genau berechnet werden, wie vielen Menschen in einer Impfaktion dann wirklich durchgeimpft werden können. Und wenn am Schluss Impfdosen übrigbleiben, so gibt es eine sogenannte Backup-Liste, und aus dieser Backup-Liste werden Personen angerufen, oder beziehungsweise vorher schon in Bereitschaft gestellt. Und eine dieser…
Gut, Herr Bürgermeister, jetzt sagen aber Mitarbeiter im Heim, es wären genügend andere Personen noch da gewesen, unter anderem von mobilen Hilfsdienst. Aber selbst wenn das nicht so war: Das Altersheim in dem Sie waren, ist im Stadtteil Gisingen. In Gisingen wohnen 450 Menschen über 80. Niemand von denen wollte sich impfen lassen am Sonntag?
Die waren nicht auf der Backup-Liste. Auf der Backup-Liste waren…
Aber die wohnen in ein paar 100 Metern Umkreis um das Seniorenheim.
Ja dann hätte man müssen diese Menschen auf die letzten fünf Minuten hin mobilisieren. Das ist wahrscheinlich auch nicht ganz möglich, oder. Und wir wissen das ja vorher, weiß man das ja nicht. Das weiß man keine Viertelstunde vorher, wie viel das da noch aus einer Ampulle gezogen werden kann.
Jetzt Herr Bürgermeister, in Vorarlberg…
…da ist die Zeitspanne, da ist die Zeitspanne sehr, sehr gering.
In Vorarlberg ist erst ein Bruchteil der über 80-Jährigen geimpft. Sie haben sich aber schon vor Wochen, haben Sie heute erklärt, auf die Impfliste des Seniorenheims setzen lassen. Kommt Ihnen das nicht seltsam vor als Politiker?
Ich glaube, das ist gerade umgekehrt. Es gab eine große Diskussion bei uns auch in den Seniorenheimen, wie auch in anderen Betrieben, auch im Rathaus, soll ich mich impfen lassen, kann ich mich impfen lassen. Diese Diskussionen kennen wir, die sind durch die Medien gegangen. Und es gibt nach wie vor Menschen, die einer, einer Impfung sehr skeptisch gegenüberstehen. Ich habe immer versucht zu, zu impfen, also die Impfung attraktiv zu gestalten, als Attraktivität zu, zu, zu proklamieren, die Mitarbeiter aufzufordern, informiert euch. Ich denke, impfen ist gut. Ich würde mich auf jeden Fall impfen lassen und das hat zu einer Diskussion geführt, wo es geheißen hat, ja, würdest Du dich als erstes impfen lassen. Da habe ich gesagt, für mich ist das keine Frage, ich vertraue hier der Medizin, ich vertraue der Wissenschaft, ich würde mich impfen lassen. Mich kann man gerne auf eine, eine Liste setzen. Aber ich möchte sagen, das ist nicht, das war nicht die Impfliste, sondern das war diese Backup-Liste.
Gut. Jetzt haben Sie heute im Ö1-Mittagsjournal gesagt – Zitat – „als Eigentümervertreter des Seniorenheimes habe ich sehr, sehr oft intensiven Kontakt zu den Bewohnern, deswegen habe ich die Impfung angenommen“. Und das hat mich jetzt überrascht, weil laut der geltenden Verordnung des Gesundheitsministeriums dürfen ja alle Heimbewohner nur einmal die Woche Besuch bekommen und das nur durch einen nahestehenden Angehörigen. Warum sind Sie so viel in Seniorenheim?
Wir haben vier, vier Seniorenheime. Wir haben sehr viel Kontakt, nicht nur zu den Bewohnern, zu den Bewohnern und Bewohnerinnen in diesen Covid-Zeiten, das ist richtig, da habe ich weniger Kontakt. Aber ich habe Kontakt zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, zur Geschäftsführung und zu den Angehörigen, dieser betreuten Menschen.
Und dazu müssen Sie hingehen? Das machen doch die meisten Menschen heute online, gerade im Pflegeheim.
Das ist…, ja das ist nicht immer alles, es ist nicht immer alles online zu erledigen. Es sind oft besonders zum Beispiel die Gespräche mit den Angehörigen nicht immer online zu, zu erledigen. Also es gibt einfach irgendwo immer Kontakte, deshalb bin ich auch als Eigentümervertreter auf dieser Backup-Liste eigentlich.
Aber Herr Bürgermeister, Sie müssen doch für die Gespräche mit den Angehörigen nicht in das Pflegeheim gehen. Die können doch zu Ihnen in das Rathaus kommen.
Ja genau. Aber das ist ja, das ist ja der große…, aber diese Menschen, die in das Rathaus kommen, kommen von ihren Angehörigen. Also ich bin da immer dieser, dieser Situation ausgesetzt. Und das ist nicht nur mit, mit Angehörigen von Pflegenden, das ist auch sonst mit, mit Menschen. Ich kann mich nicht in eine, in eine Glashülle zurückziehen. Es gibt immer wieder Bedarf an physischen Kontakten.
Aber Sie können sich, so wie die anderen Menschen, die mit Pflegeheimen zu tun haben, testen lassen. Muss man ja sowieso machen, bevor man in Pflegeheime geht.
Ja ich werde regelmäßig getestet. Ich teste mich selber mindestens jeden zweiten Tag, weil ich aus dieser Verantwortung heraus komme und auch niemanden in meinem engeren Team in irgendeiner Folge anstecken möchte. Sobald ich irgendwas spüren würde, würde ich mich zurückziehen. Und das hat, deshalb habe ich auch zu Hause Testkits und teste mich zweimal, jeden zweiten Tag und nehme an jeder öffentlichen Testung teil, an jeder Testmöglichkeit. Ich habe auch die Menschen aufgerufen, zu testen und ich habe, habe auch beim Testen, habe ich gesagt, sehr gerne, ich mache das am Anfang als aller erstes, wenn das sein muss. Ich möchte einfach da die Verantwortung, und die Verantwortlichkeit deponieren und zeigen, dass man mit gutem Beispiel vorangehen kann. Bei der Impfung habe ich mich hinten angestellt, das möchte ich noch einmal sagen, hinten angestellt. Aber dann auch nicht gedrückt.
Gut. Gut, Herr Bürgermeister, das bestreiten jetzt irgendwie natürlich einige Leute im Seniorenheim, dass Sie sich hinten angestellt hätten. Vor der Impfung muss man sich ja möglicherweise nicht drücken, weil sehr, sehr viele Menschen gerne geimpft werden möchten. In Feldkirch leben 1.750 Menschen über 80. Wie viele von diesen 1.750 sind schon geimpft?
Also wir haben jetzt alle Seniorenheime durchgeimpft. Per heute haben wir die städtischen Heime mit den Mitarbeiterinnen, mit den Mitarbeitern, teilweise MitarbeiterInnen des mobilen Hilfsdienstes, teilweise auch pflegende Angehörige, besuchende Angehörige. Wir haben hier diese Heime an sich können wir jetzt als Aufgabe abhaken und uns der nächsten Gruppe widmen.
Und wie viele von den über 80-Jährigen, die nicht im Heim leben, sind schon geimpft?
Das kann ich hier nicht sagen. Das, darüber habe ich keine Aufzeichnung.
Sie sind 65. Auf der Homepage der Gemeinde steht gleich am Anfang eine persönliche Botschaft von Ihnen an die Feldkircher, die beginnt mit dem Satz: „Ich werde mit großer Vorsicht an heikle Themen herangehen und mit Bodenhaftung die gesteckten Ziele verfolgen, es gilt stets die Auswirkungen mitzudenken“. Es wirkt jetzt offen gesagt, nicht so, als hätten Sie da mit besonderer Vorsicht und Bodenhaftung agiert und die Auswirkungen mitgedacht. Oder?
Ich gebe zu, dass, dass die Auswirkung jetzt nicht optimal herüberkommt. Das stimmt. Das muss ich auch selbstkritisch mir eingestehen. Es wäre wirklich besser gewesen, auf diese letzte Charge zu verzichten und, und zusehen müssen, wie sie, wie sie entwertet oder, oder entsorgt wird. Aber das tut mir im Herz weh. Also noch einmal, wenn ich mich… Ja.
Jetzt ganz ehrlich Herr Bürgermeister, jetzt ganz ehrlich Herr Bürgermeister, es schauen uns ungefähr 800.000 Leute zu. Was glauben Sie, wie viele von den 800.000 Leuten, glauben Ihnen, dass man diese letzte Impfdosis weggeworfen hätte?
Das ist Tatsache. Das müsste man. Weil wenn niemand mehr da ist, wenn niemand mehr da ist, der die Impfung aufnehmen kann, muss sie entsorgt werden.
Die Ärztin, die die Impfung gemacht hat, sagt, es wären genügend Leute da gewesen.
Ja das stimmt eben nicht.
Sie sagen die Ärztin lügt?
Ich sage, ich sage, sie hat eine andere Wahrnehmung. Dann bitte müsste man das objektiv, objektiv von, von, von Zeugen sich auch sagen lassen können. Und ich behaupte, weil ich im Warteraum war, und weil ich vor dem Haus und in das Haus der letzte war, der eingetreten ist, da ist die Schlange vorher schon alles abgearbeitet gewesen, dann erst bin ich in das Haus. Und ich habe auch gesagt, ich stehe bis zum Schluss da. Und ich habe gesehen, dass man Menschen noch angerufen hat und die gekommen sind und die dann zur Impfung vorgegangen sind. Das ist richtig. Und dann war der Anruf fertig.
Was hätten Sie denn gemacht, was hätten Sie denn gemacht, wenn drei Impfdosen übriggeblieben wären?
Ja, ich hätte halt auch geschaut, das noch irgendjemand, den ich irgendwie mobilisieren kann, dass der noch zu der Impfung kommt.
Das hätten Sie mit der einen auch können.
Ja, das, das ist richtig. Das hätte ich mit der einen auch machen können.
Jetzt schreiben die Vorarlberger Nachrichten, die ja an sich kein schlechtes Gefühl für die Stimmung im Bundesland haben, in ihrem Leitartikel heute, dass Sie sich „gegen jeden Impfplan, gegen jeden Hausverstand und vor allem gegen jeden Anstand vordrängen, ist nicht nur verwerflich, sondern völlig inakzeptabel, das geht schlicht nicht“. Es gibt wirklich viel Empörung in Vorarlberg und auch einige Rücktrittsaufforderungen. Denken Sie an Rücktritt?
Nein. Nein, ich denke nicht an Rücktritt. Nicht weil ich kein Gewissen oder kein Gefühl habe in die Richtung, sondern ich bin da, glaube ich, schon, schon auf diesem Weg, dass ich mich nicht in den Vordergrund spiele. Und ich hätte das, wenn ich, wenn Leute hier gewesen wäre, anwesend gewesen wären, die noch eine Dosis abnehmen hätten können, dann wäre ohne weiteres zurückgetreten. Das wäre überhaupt kein Problem. Ich habe mich auch nie vorgedrängt. Das ist eine komplett falsche Darstellung. Wer das beobachtet hat, von, aus neutraler Sicht, der kann klar belegen, wie defensiv ich mich verhalten habe, wie ich abgewartet habe, wie, wie ich gewartet habe, bis alles leer war und erst dann wurde mir diese Dosis verabreicht.
Also einen Grund für eine Entschuldigung gibt es auch nicht?
Natürlich kann…, ich habe ja gesagt, ich bin da sehr selbstkritisch in diese Richtung, kann mich auch entschuldigen. Da fällt mir auch kein Stein aus der Krone. Wenn es, wenn das Verhalten falsch gewesen wäre, dass ich da irgendjemand unter Druck gebracht hätte. Soll ich mich jetzt entschuldigen, dass ich diese letzte Dosis genommen habe? Ich könnte mich entschuldigen in die Richtung, dass mir nicht eingefallen wäre, auf die Schnelle, wer jetzt das noch nehmen könnte, die nächsten zehn Minuten.
Also Sie entschuldigen sich nicht?
Ich kann mich schon entschuldigen, wenn man Wert darauf legt. Aber sagen Sie mir bitte, soll ich mich entschuldigen, dass ich diese letzte Dosis genommen habe.
Letzte Frage. Die zweite, die zweite Impfung für Sie wäre in drei Wochen fällig. Werden Sie sich da noch mal impfen lassen?
Ich werde mich impfen lassen, wenn ich an der Reihe bin, ja.
Wann wird das sein?
Das kann ich jetzt nicht sagen. Das wird man mir dann sagen, wann ich an der Reihe bin.
Also muss nicht in drei Wochen sein?
Das muss nicht in drei Wochen sein. Ja.
Herr Bürgermeister, vielen Dank für das Gespräch.
Gerne.