Strolz bei Pressekonferenz

Die Flügel nieder

Das war ein wirklich ungewöhnlich Politiker-Rücktritt heute. Auch Werner Faymann, Reinhold Mitterlehner und Eva Glawischnig sind sehr überraschend gegangen (übrigens auch alle im Mai) – aber alle in einer tiefen Krise. Matthias Strolz geht, während es gut läuft. Für die Neos und für ihn.

Die Partei ist letzten Herbst problemlos wieder in den Nationalrat eingezogen und dieses Frühjahr in Niederösterreich, Tirol und Salzburg erstmals in den Landtag (mit Kärnten hatte niemand realistisch gerechnet). In Salzburg steht die erste Regierungs-Beteiligung bevor. Und Parteichef Strolz hatte sich im Parlament gegen die neue Koalition als leidenschaftlicher Oppositionspolitiker profiliert.

Der Rücktritt kam deshalb völlig überraschend – auch für seine Parteifreunde. Selbst prominente Neos-Abgeordnete haben erst heute früh via E-Mail oder Anruf davon erfahren, nur engste Vertraute waren seit wenigen Tagen eingeweiht. Öffentlich durchgesickert war bis heute Vormittag kein Wort.

Warum aber ausgerechnet heute?

Das weiß offenbar niemand. Einen konkreten Anlass kennt niemand der Neos-PolitikerInnen, mit denen ich heute off the record telefoniert habe. „Aber so ist er halt“, habe ich mehrfach gehört. „Dass er geht, hat mich nicht überrascht, der Zeitpunkt schon“, sagen gleich zwei.

Aber nicht alle sind begeistert, dass Strolz seinen Rücktritt bekanntgegeben hat, bevor in Salzburg die Koalitions-Verhandlungen abgeschlossen sind: „Die zwei Wochen hätte er noch warten können“. Und weshalb Strolz im Juni als Parteichef aber erst im Herbst als Klubobmann geht, kann mir heute niemand erklären.

Trotzdem scheint der Zeitpunkt nicht schlecht gewählt: Die vier Landtagswahlen sind geschlagen, bis zur EU-Wahl ist es noch ein gutes Jahr und Strolz‘ NachfolgerIn kann sich in Ruhe einarbeiten.

Und wie sehr schadet der Rücktritt den Neos? „Gar nicht. Es ist traurig, aber wir sind gut aufgestellt“, höre ich in verschiedenen Varianten so oft, als wäre es ein intern ausgegebene Sprachregelung. Und es klingt auch ein bisschen nach laut Pfeifen im Wald.

Etliche Leitartikler sind da deutlich skeptischer als die Neos selbst: „Pinky ohne Brain – ein Desaster“, schreibt der KURIER. Die PRESSE hält den Rücktritt für „unverantwortlich“ und der STANDARD meint gar: „Den Neos kommt mit ihrem Erfinder alles abhanden, was sie ausmacht.“

UND WER HEBT JETZT DIE FLÜGEL?

Als klare Favoritin für die Nachfolge gilt die Wiener Neos-Chefin und Vize-Parteivorsitzende Beate Meinl-Reisinger. Sie müsste dafür vom Gemeinderat zurück ins Parlament wechseln, weil sich offenbar alle einig sind, dass Partei- und Klubvorsitz in einer Hand bleiben sollen. Formal ist das kein Problem, Meinl-Reisinger war Nummer 3 auf der Bundesliste und kann das Mandat von Strolz übernehmen.

Bei den Wiener Neos würde sie allerdings ein Riesenloch aufreißen. In Wien wird spätestens 2020 gewählt, viele meinen, schon 2019 – und andere Wiener Neos-PolitikerInnen kennen nur echte politische Feinspitze beim Namen.

Aber der intern populäre Nikolaus Scherak hat als Parteichef wohl zu wenig Strahlkraft nach außen, der eloquente Sepp Schellhorn möglicherweise zu wenig Diplomatie nach innen (und mehrere Gastronomie-Betriebe in Salzburg, was sich schwer mit dem Berufsverbot eines Klubchefs verträgt. Ich vermute allerdings, dass Schellhorn im Nationalrat bleibt und nicht nach Salzburg wechselt.). Neo(s)-Zugang Irmgard Griss ist zu wenig in der Partei verankert. Und der – öffentlich weniger bekannte – Partei-Mitgründer Veit Dengler hat eben erst einen hochbezahlten Medien-Spitzenjob in Hamburg angetreten (und kein Parlamentsmandat).

Aber auch wenn heute alle vom Abgang überrascht waren – im Rückblick hat Matthias Strolz in den letzten Tagen gar nicht so wenige Andeutungen gemacht. Auf Twitter zum Beispiel, am 30. April:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von X. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Oder in einem Facebook-Video, wo er am 3. Mai verraten hat: „Und so versuche ich, von jeder Jahreszeit auch immer eine Botschaft an mich selbst mitzunehmen. Die Botschaft des Frühlings ist der Aufbruch, die Lebendigkeit, Auf zu neuen Ufern.“

Und schon am 15. April hat Strolz in einem sehr ausführlichen Video-Interview mit Thilo Jung erklärt: „Meine Aufgabe ist hier eine Bewegung aufzubauen … und dann gibt’s einen Zeitpunkt, wo es auch wichtig ist zu übergeben, weil neue Besen kehren gut und neue Dynamik durch neue Personen möglich ist. Und dieses Thema habe ich sehr aufmerksam im Fokus derzeit.“

Drei Wochen später ist es heute offiziell geworden. Auf seiner emotionalen Abschieds-Pressekonferenz hat Strolz keine Fragen beantwortet – dafür aber dann abends live im ZiB2-Studio:

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Als nach unserem Interview der nächste Beitrag begonnen hatte, stand Matthias Strolz auf, um sich zu verabschieden. Ich bedankte mich nochmal für das Gespräch. „Das war jetzt wohl das letzte Mal“, antwortete er. Es hat erleichtert geklungen, aber auch ein wenig sentimental…