Kaum ein Experte weiß so viel über Wladimir Putin wie der bulgarische Politologe Ivan Krastev, der seit vielen Jahren in Wien am IWM, dem Institut für die Wissenschaft vom Menschen, arbeitet. Krastev hat in den letzten Jahren mehrere sehr lesenswerte Bestseller geschrieben, er kommentiert regelmäßig in der New York Times die internationale Politik und berät Spitzenpolitiker·innen in ganz Europa.
Vergangenen Montag, vier Tage nach dem Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine, habe ich für die ZiB2 mit Ivan Krastev gesprochen. Und weil es auf das Gespräch (hier die englische Originalfassung) extrem viele positive Reaktionen gab, habe ich es zum Nachlesen transkribiert:
Herr Krastev, viele Beobachter sind ziemlich überrascht, dass die russische Armee bisher nicht in der Lage war, die Ukraine quasi zu überrennen, Kiew zu erobern und den Widerstand der ukrainischen Armee zu brechen. Sie auch?
Ja, ich war überrascht, weil es viele Vorhersagen gegeben hat, auch von den amerikanischen Geheimdiensten, dass die Russen das können. Aber in Wahrheit ist die Überraschung für uns vielleicht kleiner als für die russische Führung. Eine der übelsten Dinge in der Politik ist es, wenn man zum Opfer der eigenen Propaganda wird. Und das ist meiner Meinung nach der russischen Führung in diesem Fall passiert. Sie hat wirklich geglaubt, dass die Ukrainer sie als Befreier erwarten würden und sie mussten feststellen, dass sie als Besetzer begrüßt worden sind.
Was war oder was ist Wladimir Putins Ziel mit diesem Krieg? Was will er erreichen?