Archiv der Kategorie: Blog

Hier schreibe ich selbst, v.a. Texte zu aktuellen Themen aus Medien und Politik, mitunter auch zu anderen tagesaktuellen Anlässen. Die Frequenz ist unregelmäßig, ebenso die Länge. Manche Blogeinträge sind sehr kurz, manche sehr lang. Alle vor Februar 2018 erschienen ursprünglich auf meiner Facebook-Seite. Für eine Übersicht aller verfügbaren Kategorien klicken Sie bitte hier.

Gemartert von „Österreich“

Durch nichts lernt man mehr über Journalismus, als wenn über einen selbst berichtet wird. Und da ich seit etlichen Jahren regelmäßig im Fernsehen auftauche, wird über mich immer wiedermal berichtet. Nirgendwo aber so viel wie in der Tageszeitung „Österreich“ bzw. deren Online-Ableger oe24.

Ich habe ja den Verdacht, die beschäftigen dort einen eigenen Praktikanten für mein Twitter-Account, der aus jedem dritten meiner Tweets eine „Geschichte“ macht, egal wie banal oder lächerlich. Offenbar klickt das ganz gut, eine andere Erklärung dafür finde ich nicht. Eine kleine Auswahl:

oe24-Schlagzeilen

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Die SPIEGEL-Affäre

In seiner aktuellen Ausgabe, die am Samstag in die Läden kommt, widmet der SPIEGEL der Fälschungsaffäre im eigenen Haus eine Titelgeschichte von 23 Seiten. Neben der großen (viel gelobten aber auch heftig kritisierten) Rekonstruktion des Falles, die bereits am Mittwoch online erschienen ist, werden auch neue Details erzählt, wie der Betrug letztlich aufgeflogen ist – und mit welchem Aufwand Claas Relotius versucht hat, seine Kollegen zu täuschen. „Es ist schlimmer als jeder Albtraum“, textet seine Vorgesetzte nach dem ersten Geständnis des vermeintlichen Star-Reporters an die Chefredaktion.

Sehr spannend ist ein Text von Juan Moreno, der die ersten Fälschungen redaktionsintern aufgedeckt hat und dabei wochenlang gegen „dicke, solide Betonwände, SPIEGEL-Qualität gewissermaßen“ gerannt ist. Sein Fazit: „Hätten meine Chefs anders reagieren müssen? Ja, vermutlich. Hätte ich an ihrer Stelle anders reagiert? Nein, vermutlich nicht.“

Lesenswert auch ein Gespräch mit Giovanni di Lorenzo, dem Chefredakteur des großen Konkurrenten ZEIT, der die SPIEGEL-Redaktion ziemlich scharf kritisiert: „Diese Geschichten waren von einer Glätte, Perfektion und Detailbesessenheit, dass es einige von uns nicht glauben konnten. […] Warum gehen nicht irgendwann mal die Alarmglocken an?“

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Was für ein Super-GAU

Claas Relotius war bis gestern Mittag ein Star. Jedenfalls unter deutschen Journalisten. Der erst 33-jährige SPIEGEL-Reporter wurde in den letzten Jahren gleich vier Mal mit dem renommierten Deutschen Reporterpreis ausgezeichnet, von CNN als „Journalist of the Year“ gewürdigt und mit dem „European Press Prize“ geschmückt. Heute weiß man: Der allseits populäre Shooting Star ist nicht nur ein außergewöhnlich begabter Schreiber. Er ist auch ein Betrüger.

Mindestens 14 der 55 Artikel, die Relotius im SPIEGEL veröffentlicht hat, sind zumindest teilweise erfunden. Das hat er jedenfalls bisher zugegeben, vielleicht waren es noch deutlich mehr, möglicherweise auch frühere Texte für die NZZ, die FAZ, das SZ-Magazin oder den TAGESSPIEGEL.

Dass ausgerechnet im SPIEGEL so etwas passieren konnte, erschüttert seit gestern die gesamte deutsche Medienbranche.

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Womit dürfen wir uns „gemein machen“?

Es ist einer der meistzitierten deutschsprachigen Sätze über Journalismus. Er stammt von Hanns-Joachim Friedrichs, dem legendären TAGESTHEMEN-Moderator – und er steht auch als Motto über dem nach Friedrichs benannten, hoch renommierten Fernseh-Preis.

Vergangene Woche wurde die ARD-Journalistin Anja Reschke damit ausgezeichnet und in ihrer Dankesrede hat sie sich durchaus kritisch mit diesem berühmten Zitat auseinandersetzt, das ihr „seit drei Jahren fast täglich um die Ohren geklatscht wird“. Seit sie am Höhepunkt der „Flüchtlingskrise“ in den TAGESTHEMEN, Friedrichs‘ einstiger Sendung, einen vielbeachteten Kommentar über „Haltung“ im Journalismus präsentiert hat.

Ich kenne das. „Hajo“ Friedrichs ist in Österreich nicht so populär wie einst Robert Hochner, aber auch ich bekomme häufig Mails oder Briefe, in denen unter Verweis auf seinen bekannten Satz kritisiert wird, dass wir im ORF nicht so berichten würden, wie sich das die Absender wünschen. In ihren Augen sind wir parteiisch und machen uns mit etwas oder jemandem gemein (und zwar üblicherweise mit etwas, das die Absender nicht besonders mögen.)

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Schlechte Nachrichten. Zur dreifachen Krise des Journalismus

Gestern war ich eingeladen, bei der Verleihung der renommierten Otto-Brenner-Preise für kritischen Journalismus in Berlin die Festrede zu halten. Die dort im wahrsten Sinne ausgezeichneten Arbeiten kann man sich hier ansehen – es lohnt sich!


Vielen Dank für die Einladung! Ich fürchte allerdings, ich werde Ihnen in den nächsten zwanzig Minuten keine große Freude machen. Ich bringe nämlich schlechte Nachrichten.

Ich möchte über die Krise des Journalismus reden. Die wäre ja schon dramatisch genug, vor allem für uns Journalisten und Journalistinnen, aber ich fürchte, sie ist vor allem ein Symptom für etwas noch viel Bedrohlicheres, für eine Krise der Demokratie.

Die Krise des Journalismus ist eine dreifache: Eine ökonomische, eine politische und eine essentielle.

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„Demokratischer Diskurs ist kein safe space“

Ich war gestern eingeladen zum Einstieg in eine Podiumsdiskussion bei den Münchner Medientagen einen kleinen Vortrag zu halten – zum Thema: „Political Correctness. Oder wie liberal ist unsere Meinungsdemokratie wirklich?“ Hier mein Text zum Nachlesen:


Ich sag’s Ihnen gleich vorneweg: Ich bin der Falsche für dieses Thema. Wenn ich mir die Zusammensetzung des Podiums anschaue, müsste hier ja zu Beginn eigentlich wer so richtig gegenbürsten und Sie provozieren.

Es müsste hier also jemand wie Matthias Matussek stehen oder Roger Köppel oder zumindest Harald Martenstein. Also ein älterer, weißer, ziemlich schlecht gelaunter  Mann, der Political Correctness für ein Wellness-Programm naiver „Gutmenschen“, hypersensitiver „snow flakes“ und angeblicher „Tugendterroristen“ hält, die schon eine Trigger-Warnung brauchen, wenn sie die Namen Matussek, Köppel oder Martenstein hören.

Wie Sie sofort erkannt haben, bin ich zwar auch ein schon älterer, weißer Mann, aber ich bin nicht schlecht gelaunt. Und ich habe auch kein grundsätzliches Problem mit Political Correctness – weil ich nämlich gar nicht glaube, dass das was besonders Neues wäre. Es gibt sogar sehr gute deutsche Wörter dafür: Anstand zum Beispiel – oder Respekt.

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Über Wutbürger und Angstpolitiker | Von Thomas Hofer

Am 21. Oktober war es exakt 100 Jahre her, dass sich im Palais Niederösterreich in der Wiener Herrengasse die Provisorische Nationalversammlung zusammengefunden hat – um nach dem Ende der Monarchie in Österreich eine Republik zu begründen (ausgerufen wurde sie erst drei Wochen später, am 12. November 1918). Zu diesem Jahrestag haben Nationalrat und Bundesrat eine Festsitzung abgehalten, bei der Politikberater Thomas Hofer eine Rede an die versammelten Abgeordneten gehalten hat, mit dem sehr grundsätzlichen Titel „Entscheidungsfragen der Gegenwart“. Thomas Hofer, den wir als blitzgescheiten Analytiker auch häufig für die ZiB2 interviewen, hat mir das Manuskript seiner sehr lesenswerten Rede als Gastbeitrag zur Verfügung gestellt.


Sehr geehrte Damen und Herren! Ich bin gebeten worden, zu den politischen Herausforderungen des Jahres 2018 zu sprechen. Das ist keine kleine Aufgabe. Angesichts der historischen Schilderungen erscheinen tagespolitische Ereignisse immer ein Stück unbedeutender.

Von den Abgeordneten des Jahres 1918 heißt es, sie wären sich der historischen Tragweite ihres Tuns sehr bewusst gewesen. Wer kann das heute schon von sich behaupten? Damals kam es zu einer fühlbaren Zäsur, einem sichtbaren Anbrechen eines neuen Zeitalters.

Heute ist das anders. Ein Blick auf die jüngere Vergangenheit zeigt, wie wandelbar Ereignisse – und Einschätzungen geworden sind. Nach dem Zusammenbruch der UdSSR rief Francis Fukuyama das „Ende der Geschichte“ aus und prophezeite den globalen Triumph der liberalen Demokratie.15 Jahre später stellte Colin Crouch seine These von der „Postdemokratie“ auf, in der politische und wirtschaftliche Eliten die Bedürfnisse der breiten Masse manipulieren.

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Wem im Fernsehen „eine Bühne geben“?

Gestern Abend war Gustav Kuhn zu Gast im ZiB2-Studio, der Gründer und langjährige Leiter der Festspiele Erl, dem mehrere Künstlerinnen sexuelle Belästigung vorwerfen und mehrere ehemalige Mitarbeiter massive Übergriffe während der Arbeit. (In der TVthek kann man das Interview noch sieben Tage lang nachsehen.)

Auf Twitter haben das manche Zuseher kritisiert: „Nicht der Täter braucht eine Plattform, auf der er gehört wird, sondern die Opfer“, hieß es etwa – oder: „Diesem Herrn die Möglichkeit zur Selbstdarstellung zu geben, halte ich nicht für die beste Idee.“

Wir haben das in der Redaktion vor der Sendung ausführlich diskutiert. Nach den bisherigen Stellungnahmen seines Anwalts (der schon im Sommer Gast im Studio war) war zu erwarten, dass Kuhn im Gespräch alle Vorwürfe abstreiten würde, was natürlich sein gutes Recht ist. Aber der Anwalt hatte darüberhinaus den Frauen unterstellt, sie würden ihre Vorwürfe aus Revanche erfinden. Sie alle hätten in Erl ihre Engagements verloren – natürlich nicht, weil sie Kuhns Avancen verweigert hätten, sondern aus mangelndem Können (was wiederum die Frauen bestreiten). Sollten wir dieser Argumentation neuerlich „eine Bühne bieten“?

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Wer hat’s erfunden?

Wem sind die vieldiskutierten „Anlandeplattformen“ für Flüchtlinge eingefallen? Sebastian Kurz will es nicht gewesen sein. Oder doch?

Ich muss gestehen, ich war ein wenig erstaunt gestern Abend im Interview mit Kanzler Kurz nach dem EU-Gipfel in Salzburg. Es ging um die mittlerweile berühmten „Anlandeplattformen“, also Sammellager für Migranten in Afrika, die seit dem EU-Gipfel vom Juni diskutiert werden. Kurz dazu gestern in der ZiB2:

„Für uns ist aber nicht die Frage entscheidend,… ob das Wort, das sich irgendwer in Brüssel einfallen lassen hat, das ich für etwas skurril halte, Anlandeplattformen, jetzt so auf irgendeinen Vertrag nieder geschrieben wird, sondern für uns ist entscheidend, dass sich keine Menschen mehr illegal auf den Weg machen.“

Schon gestern Mittag hatte der Kanzler in seiner Pressekonferenz mit den Herren Juncker und Tusk gemeint:

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Kern-Schmelze

Keine Witze mit Namen, das ist eine der Regeln, die man ganz früh in der Journalistenausbildung lernt. Aber heute vergesse ich die mal kurz, denn was sich da seit gestern in der SPÖ abspielt, ist tatsächlich sowas wie ein total meltdown.

Christian Kern hat offenbar genug von seiner Partei, was man als Außenstehender durchaus nachvollziehen kann. Aber es sieht auch so aus, als hätte mittlerweile ein sehr großer Teil der Partei genug von Christian Kern. Und Doris Bures wird für ihre – damals zynisch-abfällig wirkende – Diagnose „So wie ich keine gute Bahnmanagerin wäre, wäre Kern kein guter Politiker“ im Nachhinein zur Seherin erklärt.

WAS IST DA GESTERN PASSIERT?

Soweit es sich nachvollziehen lässt, wollte Kern bei einem lange geplanten Abendessen seinen Landesparteichefs erklären, dass er sich nun doch entschlossen habe, bei der EU-Wahl zu kandidieren – offenbar auch nach Signalen anderer europäischer Parteichefs, er könnte europaweit SPE-Spitzenkandidat werden, eventuell sogar mit Unterstützung Macrons. Das würde natürlich auch bedeuten, dass er nach der Wahl den Parteivorsitz übergeben müsste, weil sich die SPÖ nicht aus Brüssel führen lässt.

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