Vor wenigen Tagen ist der Sammelband „Praktischer Journalismus“ erschienen, den ich gemeinsam mit Ingrid Brodnig, Florian Klenk und Gabi Waldner herausgegeben habe, und in dem 60 Medienprofis jeden denkbaren Aspekt unseres Berufes erklären. In meinem Kapitel habe ich über das geschrieben, was ich seit 22 Jahren im ZiB2-Studio hauptsächlich mache: Kontroversielle – also kritische – Interviews.
„Praktischer Journalismus“ soll ja tatsächlich ein möglichst praktisches Buch sein – für junge Journalist·innen, aber auch für alle, die sich dafür interessieren, wie Medien im Alltag gemacht werden. Deshalb war unsere Bitte an alle Autor·innen, möglichst praxisnah zu beschreiben, was man zu ihrem Thema jedenfalls wissen muss (hier das Inhaltsverzeichnis).
Genau das habe ich auch in meinem Kapitel versucht: Wie führt man ein kritisches Interview in Radio und Fernsehen? Und das ist dabei herausgekommen (im Buch findet es sich auf den Seiten 122-128, ich veröffentliche das Kapitel hier mit Genehmigung des Falter Verlags):
(Kontroversielle) Interviews in Radio und TV
Von höherer Stelle könnte die Definition kaum kommen: Ein Interview ist eine „Sendeform, die aus kontroversieller Rede und Gegenrede besteht“.
So hat es 1989 der Verfassungsgerichtshof festgeschrieben, nach einer Beschwerde gegen das bis dahin wohl umstrittenste Interview der österreichischen Fernsehgeschichte. Die beiden ORF-Journalisten Peter Rabl und Hans Benedict hatten im Hauptabend-Programm Bundespräsident Kurt Waldheim zum Umgang mit seiner Kriegsvergangenheit befragt. Waldheim war von den durchaus harten Fragen not amused und etliche Fans des Präsidenten beschwerten sich bei der damals zuständigen Rundfunkkommission wegen angeblicher Verstöße gegen das Objektivitätsgebot.
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Die Kommission war geradezu entsetzt über das Interview, über die „ungeheure Anmaßung eines Journalisten“ (gemeint war Rabl), einen „frontalen Angriff“ auf das Staatsoberhaupt, eine „krassere Form der Parteilichkeit und der Einseitigkeit“ wäre „kaum vorstellbar“. Der Fall ging durch die Instanzen bis zum Verfassungsgericht, das die Beschwerde schließlich abwies. Mit einer Begründung, die bis heute definiert, was bei Interviews im (öffentlich-rechtlichen) Radio und Fernsehen zulässig ist.