Richard Lugner war heute also in der ZiB2 – und es war nicht ganz leicht…
Unter anderem haben wir darüber diskutiert, ob er als Bundespräsident den Nationalrat auflösen könnte. Ich habe ihm erklärt, dass es dafür einen Vorschlag der Bundesregierung braucht. Das hat Herr Lugner bestritten. Heftig bestritten. Sehr heftig bestritten. (Nachzulesen im Transkript des Gesprächs gegen Ende.)
Im Studio war das natürlich – ohne Anwesenheit eines Verfassungsrichters – schwer zu lösen. Aber hier kann ich den Faktencheck schnell nachtragen. Es ist also so:
In Artikel 29 der Bundesverfassung heißt es wörtlich: „Der Bundespräsident kann den Nationalrat auflösen, er darf dies jedoch nur einmal aus dem gleichen Anlass verfügen.“
Darauf hat sich Herr Lugner bezogen. Er kennt aber offenbar den – für die Kompetenzen des Präsidenten sehr wesentlichen – Artikel 67 der Verfassung nicht, wo folgendes steht: „Alle Akte des Bundespräsidenten erfolgen, soweit nicht verfassungsmäßig anderes bestimmt ist, auf Vorschlag der Bundesregierung oder des von ihr ermächtigten Bundesministers.“
In Artikel 29 über die Auflösung des Nationalrats ist aber nichts „anderes bestimmt“. Also braucht der Präsident einen Vorschlag. Aus eigener Initiative kann er den Nationalrat nicht auflösen. Herr Lugner irrt hier, auch wenn er das nicht wahrhaben wollte.
Anders ist es bei der Entlassung der Regierung. Die regelt Verfassungs-Artikel 70 und da steht ausdrücklich: „Zur Entlassung des Bundeskanzlers oder der gesamten Bundesregierung ist ein Vorschlag NICHT erforderlich.“
Hier ist also „anderes bestimmt“ und der Präsident kann ohne Vorschlag Kanzler oder Regierung feuern (allerdings nur die gesamte Regierung. Für die Entlassung einzelner Minister braucht es wiederum einen Vorschlag des Kanzlers.) Das ist übrigens alles völlig unstrittig, weil in der Verfassung glasklar geregelt. Es gibt keinen einzigen Verfassungsjuristen, der das anders sieht.
Der Präsident hätte – theoretisch – nur eine Möglichkeit, den Nationalrat ohne Kooperation der aktuellen Regierung aufzulösen. Indem er die Regierung entlässt (dafür braucht er ja keinen Vorschlag) und sofort eine neue nach seinen Wünschen bestellt (auch das kann er alleine), die ihm sofort Neuwahlen vorschlägt – noch bevor der Nationalrat sie durch ein Misstrauensvotum wieder absetzen kann.
Das ist allerdings noch nie vorgekommen – und würde wohl eine massive Staatskrise auslösen. Keine Ahnung, ob Herr Lugner das möchte. Aber auch für diesen Fall müsste er sich erst eine neue Regierung suchen, die ihm einen Vorschlag macht.