Glauben Sie mir, ich kann das Wort „Tempelberg“ auch nicht mehr hören. Und eigentlich dachte ich, das Thema wäre mit dem – sehr klaren – Spruch der Medienbehörde von letzter Woche endlich durch.
Nun schreibt aber heute der Kurier, eine Zeitung mit annähernd 600.000 Lesern, noch einen Kommentar mit dem subtilen Titel „Blödsinn vom Tempelberg“. Da wird dem ORF neuerlich eine angebliche „journalistische Peinlichkeit“ vorgeworfen und wörtlich heißt es da: „Eine ultraorthodoxe Jüdin wurde niedergeschossen. Dass Hofer die verhüllte Frau für eine islamistische Extremistin hielt, ist vielleicht schlecht beobachtet, aber eine vorsätzliche Erfindung wäre eine böse Unterstellung.“
Nun macht es mich leider echt ratlos, wenn jemand vor 600.000 Leuten wem eine “journalistische Peinlichkeit“ vorhält, aber nichtmal die schlichtesten Fakten kennt. Oder sie vorsätzlich verschweigt. Herr Hofer hat am Tempelberg keine „verhüllte Frau“ gesehen. Er hat auch keine Schüsse gehört und weder Maschinenpistolen noch Handgranaten gesehen.
“… nicht Zeugen des strittigen Vorfalls waren …”
Woher wissen wir das? Aus dem Bescheid der unabhängigen Medienbehörde, die viele Monate lang Stellungnahmen eingeholt, Unterlagen gesichtet und Zeugen befragt hat. Die FPÖ hat als Augenzeugen David Lasar nominiert, FPÖ-Politiker und Hofers Begleiter am Tempelberg.
Und dieser sagte – unter Wahrheitspflicht wie vor Gericht – aus, sie hätten weder Schüsse gehört noch die verletzte Frau gesehen. Sie sahen eine Polizeiabsperrung an der Klagemauer, sonst nichts. Die Medienbehörde hält fest, “dass Hofer und sein Mitreisender nicht unmittelbar Zeugen des strittigen Vorfalls und des abgegebenen Schusses waren, sondern sich in einiger Entfernung vom Tatort aufhielten.”
Genauso falsch ist die Kurier-Behauptung, der ORF hätte Hofer vorgeworfen, „den Vorfall restlos erfunden“ zu haben. Im TV-Duell erklärte ein Polizeisprecher in einer Einspielung, während Hofers Aufenthalt sei nirgendwo in Israel eine mit Maschinengewehren und Handgranaten bewaffnete Frau erschossen worden.
Anschließend wurde Hofer gefragt: „Haben Sie da vielleicht etwas verwechselt?“ Und Hofer erzählte neuerlich von einer Frau mit Maschinenpistolen und Handgranaten – die es nie gab. Er sagte nie, dass ihm jemand von einer Terroristin erzählt hätte, er schilderte stets ein angebliches eigenes Erlebnis „zehn Meter neben mir“.
Aber immerhin, zumindest der Titel des heutigen Kurier-Kommentars stimmt.
Warum haben andere Journalisten etwas gefunden?
Und weil ich schon beim Thema bin, noch ein letzter Punkt, der auch auf meiner FB-Seite öfter angesprochen wird: „Andere Journalisten“ hätten Hofers „Vorfall“ doch innerhalb von Sekunden noch während des TV-Duells online gefunden, nur der ORF nicht.
Das stimmt nur so nicht. Soweit ich weiß, war es genau ein Journalist, nämlich ein Kollege von „heute“, der sich in Israel besonders gut auskennt. Wie er auf den kurzen Online-Artikel der Jerusalem Post gestoßen ist, weiß ich bis heute nicht. Das Wort Tempelberg kommt darin nicht vor.
Was ich aber definitiv weiß: Mit keiner Online- oder Archiv-Suche war vergangenen Mai dieser – oder ein anderer – Artikel unter den Such-Begriffen Temple Mount, terror, hand grenade, machine gun, machine pistole, woman killed jerusalem oder woman killed israel zu finden. Das waren aber die Einzelheiten, die Hofer immer wieder geschildert hat.
„… nicht jede denkbare Version abgeklärt werden muss …“
Heute ist das übrigens anders, da taucht der Artikel sofort auf, wenn man Hofer + Tempelberg sucht. Warum? Weil er seither mit so vielen Texten zum Thema verlinkt wurde, dass ihn der Google-Algorithmus nun immer ganz nach oben reiht. (Wie ich recherchiert habe, wird im Behörden-Bescheid auf S. 30ff. geschildert.)
Deshalb hält die Medienbehörde auch ausdrücklich fest, die journalistische Sorgfaltspflicht verlange nicht, „jede denkbare Version einer Schilderung“ abzuklären, bevor ein Betroffener mit Recherche-Ergebnissen zu seinen Aussagen konfrontiert wird. Das wäre ja auch praktisch unmöglich. Und der ORF habe seine Recherchen zu Hofers tatsächlichen Aussagen „mit bestmöglicher Genauigkeit und Sorgfalt“ durchgeführt.
Wäre mir lieber gewesen, ich wäre vor dem TV-Duell irgendwie trotzdem auf die Jerusalem Post-Geschichte gestoßen? Darauf können Sie wetten. Alleine, um dem ORF, Ingrid Thurnher, mir und Ihnen diese absurde und endlose Debatte zu ersparen. Hoffentlich langsam wirklich …
Schönen Sonntag noch!