Die Qual mit der Quote

Vergangene Woche hat es SPÖ-Geschäftsführer Darabos im ZiB2-Studio behauptet: „Die Sozialdemokratie bemüht sich, diese Frauenquote zu erfüllen, aber derzeit ist es so, dass die Wahlordnung nicht zulässt, dass ein Mandat jetzt an eine Frau geht.“

Und heute sagt es die ehemalige Frauenministerin und nunmehrige NR-Präsidentin Bures in NEWS: „Das Parteistatut kann nicht über der Wahlordnung stehen“. Das stimmt. Natürlich.

Aber es erklärt trotzdem nicht, warum diese Woche ein Mann auf das freigewordene Parlamentsmandat von Barbara Prammer angelobt wurde, obwohl die SPÖ sich selbst eine Frauenquote von 40 % vorschreibt, die sie im Nationalrat noch nie erreicht hat.

Im Parteistatut (S. 8, § 16/6) heißt es seit 2010 wörtlich (und korrekt gegendert): „Scheidet ein(e) MandatarIn, unabhängig aus welchem Grund aus, ist durch die Nachrückung sicherzustellen, dass die Einhaltung der Quote erhalten bleibt bzw. erzielt wird.“

Klarer geht es kaum: Solange im SPÖ-Parlamentsklub weniger als 40% Frauen sitzen, muss für eine Frau eine Frau nachrücken.
Nun hatte Barbara Prammer auf Platz 1 der Landesliste OÖ kandidiert. Hinter ihr, auf Platz 2 stand der Gewerkschafter Walter Schopf und hinter ihm Sonja Ablinger.

Formal hätte es tatsächlich wenig Chance gegeben, Schopf an der Annahme des freigewordenen Mandates zu hindern – „es sei denn, er verzichtet freiwillig“, wie Doris Bures in NEWS richtig sagt. (Natürlich hätten seine ParteifreundInnen an Herrn Schopf deutlich appellieren können, doch an Partei, Statut und Frauenquote zu denken und es sich nochmal zu überlegen usw. – aber hätte er auf seinem Mandat beharrt, würde das Argument mit der „Wahlordnung“ stimmen.)

Allerdings: Herr Schopf hat nicht beharrt. Er war bereit, freiwillig zu verzichten. Aber man ließ ihn nicht.

Mehrere SPÖ-Politiker haben öffentlich erklärt, Schopf hätte im oö. Parteivorstand seinen Rückzug angeboten (zuletzt Neo-Gesundheitsministerin Oberhauser am Montag in der ZiB2.) Norbert Darabos formulierte es im ZiB2-Gespräch so: „Herr Schopf hat eine Abstimmung angeboten.“

Diese Abstimmung gab es dann auch und sie brachte ein eindeutiges Resultat: Mit 27 zu 16 Stimmen beschloss die oö. Partei, Herr Schopf solle das Mandat – auf das er auch verzichtet hätte – doch bitte annehmen.

Jetzt könnte man allerdings fragen, wozu hier abgestimmt wurde – da laut Parteistatut ja „sicherzustellen“ ist, dass „die Einhaltung der Quote erzielt wird“. D.h. in dem Moment, in dem Schopf seine Bereitschaft zum Verzicht erklärte, war klar geregelt, wie es weitergeht: das freie Mandat geht an die nächstgereihte Frau (solange sie nicht auch verzichtet). Die Abstimmung war schlicht statutenwidrig.

Das Parteistatut geht sogar noch weiter: die SPÖ-OÖ hatte hier gar nichts zu entscheiden. In Paragraf 18/8 heißt es nämlich: „Bei Freiwerden eines NR-Mandats entscheidet der Bundesparteivorstand nach vorhergehener Beratung mit der Bundesfrauenorganisation welche(r) ErsatzkandidatIn … berufen werden soll.“

Sollte ein Mandat auf einer Landes- oder Regionalliste frei werden (wie in diesem Fall), ist die Nachfolge „auch mit der zuständigen Landesorganisation zu beraten“. Die SPÖ OÖ hätte also beraten dürfen, aber sie hatte nichts zu entscheiden.

Montag letzter Woche hat dann der – wirklich zuständige – Bundesparteivorstand abgestimmt. Und sich mit nur 5 Gegenstimmen (von 65 Mitgliedern) der oö. Landespartei angeschlossen. Auch SPÖ-Frauenchefin & Frauenministerin Heinisch-Hosek stimmte für Walter Schopf als Nachfolger von Barbara Prammer. Sie wollte „der Empfehlung“ der SPÖ OÖ „folgen“, war ihre Begründung.

Nun gibt es nicht wenige Menschen – inklusive Sonja Ablinger – die vermuten, dass es in diesem Fall weniger um Mann oder Frau ging, sondern um eine konkrete Frau. Nach Schopf wäre eben Ablinger zum Zug gekommen, die in den Parteizentralen in Wien und Linz als einigermaßen renitent gilt. U.a. weil sie bei zwei wichtigen Abstimmungen (Asylgesetz-Verschärfung, Fiskalpakt) gegen die Parteilinie gestimmt hat und die Partei regelmäßig kritisiert.

Das will natürlich kein Beteiligter offen sagen. Schuld war ja das Problem mit der „Wahlordnung“. – Was aber schon auffällt: als es darum ging, wer Laura Rudas im Nationalrat nachfolgt, war es der Parteispitze ein großes Anliegen, den früheren Finanzsprecher Matznetter wieder ins Parlament zu bringen. Um das zu ermöglichen, war einiges Jonglieren zwischen Bundes- und Landesliste nötig – und letztlich sieben (!) „freiwillige“ Mandatsverzichte von Männern und Frauen (exzellent dokumentiert von ATV-Kollegen Martin Thür in seinem Blog.)

Damals waren der Parteispitze die „Wahlordnung“ und die genaue Reihenfolge der KandidatInnen offenbar noch nicht ganz so wichtig . Das Resultat war allerdings dasselbe wie jetzt: eine Frau schied aus, ein Mann rückte nach. (Über den aktuellen Fall soll nun übrigens ein Parteischiedsgericht entscheiden, das mehrere SPÖ-Organisationen angerufen haben. Das könnte noch interessant werden.)

Seit Dienstag sind unter den 52 SPÖ-Abgeordneten im Nationalrat jedenfalls 17 Frauen, das sind knapp 33 %. Bei den Europaabgeordneten sind es 2 von 5, also die verlangten 40 %.

Zyniker würden vielleicht sagen: Je weniger begehrt die Listenplätze, desto weniger Männer (NR-Mandate gelten innerparteilich i.d.R. als wichtiger, deshalb wäre auf der NR-Liste auch ein unerfahrener Quereinsteiger als Spitzenkandidat undenkbar).

Und wo ist die Frauenquote unter den SPÖ-Abgeordneten am höchsten? Im – sagen wir mal: begrenzt einflussreichen – Bundesrat. Dort sind es 45 %.

______
PS: Es ging mir in diesem Text nicht um eine Grundsatz-Debatte über den Sinn oder Unsinn von Frauenquoten. Sondern darum, mit welchen Argumenten eine Partei erklärt, dass sie ihre selbst auferlegte Quote nicht einhält. Vielleicht also die Grundsatz-Debatte ein andermal.